Offener Brief des Frauenverbands Courage
München, 07.07.2023
An das Kultusministerium, Herrn Piazolo
An alle Parteien in München
An Schulleitungen und andere Verantwortungsträger
An Elternbeiräte Münchner Schulen
Alle, die mit Kinderbetreuung und Schule zu tun haben, sind längst über das Limit hinaus. Wir kritisieren an der bayerischen Bildungspolitik, dass sie Aufgaben einfach nicht in erforderlichem Maß erfüllt, die gesellschaftlich gelöst werden müssen – wie Kinder¬betreuung und -erziehung, Bildung. Was zu nicht hinnehmbaren Folgen für Familien und darin oft für die Frauen führt. Frauen in den Familien sind es, die bei allen Fortschritten immer noch die Hauptlast der Kinderbetreuung bzw. Hausarbeit tragen. Allzu oft – auch das hat die Corona-Pandemie offengelegt – stecken die Frauen zurück, wenn die Kinderbetreuung gefährdet ist. Nicht selten, weil sie weniger verdienen. Was später Folgen hat für die Renten und Altersarmut vorprogrammiert.
Es ist aktuell eine deutliche Verschärfung im Abwälzen von Lasten auf die Frauen und Familien eingetreten – nicht erst seit der Corona-Pandemie. Aber auch sie ist in ihren sozialen Folgen für die Kinder und Jugendlichen längst nicht aufgearbeitet und entfaltet ihre ganze Sprengkraft auf den sozialen Zusammenhalt, führt zu schwierigen Situationen in Familien. Das wird verstärkt durch die Verschärfung der sozialen Lage, verursacht durch Inflation, irre hohen Mieten und immer noch geringere Bezahlung von Frauen in vielen Berufen.
Wir sind sicher, dass wir nur durch gemeinsame Aktivitäten, Aktionen bis hin zu Streiks erfolgreich sind. Die zahlreichen Kämpfe um Aufwertung von Frauenberufen im Sozial- und Erziehungsbereich, um eine Verbesserung der Situation führten teilweise zu Erfolgen – aber es reicht nicht. Verstärken wir unseren Protest, schließen wir uns zusammen.
Hier einige Schlaglichter der aktuellen Situation in München:
- In einem Münchner Stadtteil wurden Hortgruppen geschlossen, Eltern von Grundschulkindern gezwungen, private Betreuung zu organisieren.
- Mit aufgrund von Defiziten durch die desaströse Bildungspolitik in Corona-Zeiten in allen Jahrgangsstufen kam es insbesondere bei 4.-Klässlern zu dramatischen Situationen beim Übertritt in weiterführende Schulen.
- Die SZ meldet, dass an der Rotbuchenschule „älteren“ Hortkinder die Mittags¬betreuungsplätze einfach gekündigt werden: „An mehreren der insgesamt 141 Grundschulen im Stadtgebiet drohen die bestehenden Betreuungsangebote unter der Arbeitslast einzubrechen. Es fehlt an Geld, Räumlichkeiten und geschultem Personal.“
- In vielen Schulen können verstärkt auftretende Fälle von Mobbing, von sozialen Konflikten unter Kindern, von Gewalt unter Kindern kaum bearbeitet werden, zu überlastet die Schulsozialarbeiterinnen, zu überlastet Lehrkräfte und Schulleitungen.
- Ganztagesschulen fahren ihre Betreuung zurück wegen Lehrer*innenmangels.
Wir sehen einen Zusammenhang zur gesellschaftlichen Situation
Die Situation ist für Frauen und Familien, insbesondere für Alleinerziehende, unerträglich geworden. Während in kurzer Zeit von der Bundesregierung Milliarden locker gemacht werden für LNG-Terminals, für großzügigste Rüstungsausgaben oder Subventionen an große Konzerne – Intel bekommt allein fast 10 Mrd. aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt für grade mal 3 000 Arbeitsplätze. Diese Liste ließe sich fortsetzen.
Sollen wir Frauen, sollen die Familien die Krisen- und Kriegslasten ausbaden! Nein! Die Zukunft von Kindern und Jugendlichen ist gefährdet!
Der Frauenverband Courage fordert in seinem Programm vor über 30 Jahren:
„….. volle Gleichberechtigung im Beruf, Bildung, Familie, Kindererziehung, Teilnahme am politischen, kulturellen und sozialen Leben. Wir verlangen, dass gesellschaftliche Aufgaben – wie die Verantwortung für die Versorgung und Pflege von Kindern, Alten, Kranken und Schwachen – nicht auf uns Frauen abgeschoben werden, sondern fordern eine eigenständige, wirtschaftliche und soziale Absicherung.“
Engagiert euch mit uns, damit das Wirklichkeit wird!
Wir fordern von der bayerischen Staatsregierung Sofortmaßnahmen:
- Kreative Lösungen für die Behebung des Fachkräftemangels in allen Erziehungsberufen, wie z.B. Einstellung von Quereinsteigern aus anderen Bereichen, die entsprechend geschult werden müssen. Bessere Bezahlung und bessere Bedingungen.
- Kleinere Klassen mit einem besonderen Schwerpunkt auf sozialem Lernen.
- Wir unterstützen Forderungen der GEW und anderen Verbänden und Parteien zur Reform eines völlig überholten Schulsystems in Deutschland, wie z.B: Eine Schule für alle – bis zur 10. Klasse gemeinsames Lernen. Mit vollständiger Lehr- und Lernmittelfreiheit, Entlastung von Verwaltungsaufgaben für Lehrkräfte. Kürzere Arbeitszeiten. Schaffung von mehr Studien- und Referendariatsplätzen für an¬gehende Lehrkräfte.
- Courage findet gut, dass Betroffene freitags unter dem Motto „Genug ist genug!“ vor dem Kultusministerium protestieren und dass eine große Demonstration vor den Landtagswahlen am 23.9. organisiert wird.
Courage München – Gruppe International
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