“150 Jahre Widerstand gegen §218 – Es reicht” Proteste in über 40 Städten

Am Samstag, dem 15. Mai 2021, wurde in über 40 Städten Deutschlands trotz Pandemie mit vielfältigen Protesten ein deutliches Zeichen für sexuelle Selbstbestimmung und gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gesetzt.

Anlass: Der Paragraf 218, der ungewollt Schwangere und Ärzt*innen kriminalisiert, wurde am 15. Mai 150 Jahre alt.

„In Berlin setzte z.B. das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung zusammen mit dem Netzwerk Frauengesundheit Berlin mit einer 300 Personen langen Menschenkette um das Reichstagsgebäude ein deutliches Zeichen für sexuelle Selbstbestimmung. Weitere Menschenketten gab es in Hamburg, München, Würzburg, Augsburg, Passau, Offenbach und Landshut. Kundgebungen mit unterschiedlichem Begleitprogramm fanden in Köln, Frankfurt (Main), Kassel, Wuppertal, Magdeburg, Heidelberg, Münster, Darmstadt, Flensburg und Karlsruhe statt. In Aachen, Dortmund, Cottbus, Koblenz und Mainz wurden Kleiderbügel in der Stadt verteilt.“

(Presseerklärung des bundesweiten Netzwerks für sexuelle Selbstbestimmung)

In Berlin, Essen, Frankfurt, Karlsruhe, München, Wuppertal und anderen Städten beteiligten sich Courage-Frauen an den Aktionen und riefen dazu auf.

Berlin
„Schweigend die Stimme erheben – weg mit dem §218“

Courage-Frauen machten bei der Menschenkette um den Reichstag mit.

Hier ein Film der „Omas gegen rechts“:

 

 

Essen „§218 – weg!“

Film von der Aktion vor dem Courage-Zentrum

 

 

Frankfurt
„150 Jahre sind genug – Wir streichen den §218“

In Frankfurt beteiligten sich Courage-Frauen am Vormittag an einer von den ASF-Frauen organisierten Kundgebung mit etwa 30 Menschen.

Vor dem Frankfurter Römer, dem Sitz des Stadtparlaments waren an einer Leine Drahtkleiderbügel mit Forderungen aufgehängt. Diese Bügel stehen als Zeichen dafür, mit welch lebensgefährlichen Werkzeugen Schwangerschaftsabbrüche illegal herbeigeführt wurden und in vielen Ländern noch werden.

In unserem Redebeitrag stellten den Zusammenhang zum Kampf der Frauenbewegung weltweit für einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch her. Die Erfolge der argentinischen Frauen machen uns Mut, aber auch die Hartnäckigkeit der Frauen in Polen. Auch in Deutschland müssen Frauen, die sich für einen Abbruch entscheiden schwere Hürden nehmen. Das bestätigte die Rede einer jungen Ärztin aus der SPD. Es gebe immer weniger Ärzt:innen, die einen Abbruch durchführen können, weil die Ausbildung dazu im Studium fehle.

Wir brachten zur Sprache, auf welch einer reaktionären Grundlage der heutige §218 beruht. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1993 in einem Urteil schwangeren Frauen grundsätzlich dazu verpflichtet das Kind auszutragen und den Staat dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sie es auch tut. So wurde die „Reform“ des §218 von 1995 zu einem Instrument die betroffenen Frauen weiter zu bevormunden und zu kriminalisieren. Dem halten wir entgegen.

„Wir kämpfen weiter für das Selbstbestimmungsrecht der Frau: kein Staat, keine Kirche, keine Partei hat über eine Schwangerschaft und unser Leben zu entscheiden.
Unser Kampf ist auch Teil des Kampfs gegen die Rechtsentwicklung in Politik und Gesellschaft, die reaktionären Abtreibungsgegner immer mehr Spielraum gibt. Sie spielen sich als „Lebensschützer“ auf. Wir machten klar, wie verlogen das ist. Für uns besteht der Schutz des Lebens vor allem im organisierten Einsatz für eine lebenswerte Zukunft und für gesellschaftliche Verhältnisse, in denen sich Frauen ohne Bevormundung, ohne moralischen und wirtschaftlichen Druck für oder gegen Kinder entscheiden können.
Dafür müssen Frauen sich organisieren, selbst aktiv werden und überparteilich zusammenarbeiten.“

Das fand viel Beifall, war auch ein Kontrapunkt zur Orientierung auf bestehende europäische Verordnungen, die Bundestagswahlen und die parlamentarische Zusammenarbeit durch die anwesenden Parteien.
Ein Artikel der Frankfurter Rundschau über die Aktion blendete Courage, die feministischen Partei, die LINKE oder den DGB-Frauenrat völlig aus, so dass der Eindruck einer reinen Wahlkampfveranstaltung blieb.

Am Nachmittag nahmen wir noch an einer plakativen Aktion „Wir streichen den §218“ des Frankfurter Bündnisses für Frauenrechte teil und verteilten unsere Flyer.

München
Stand, Redebeitrag und Freiluftgeschichtsstunde zu Dr. Hope Bridges Adams Lehmann

Wir hatten einen Stand und Redebeitrag auf der Abschlusskundgebung im Rahmen des Aktionstages. Ca. 300 Menschen waren anwesend, davon ca 250 unter 30 und 50 über 50. Frauen zwischen 30 und 50 waren keine zu sehen. Wir waren bei uns am Stand 2 junge Frauen, aber die meisten älter und im Bündnis mit den Frauenorganisationen, mit denen wir seit einigen Jahren den 8. März durchführen.

Unser Schwerpunkt war: Freiluftgeschichtsstunde zu Dr. Hope Bridges Adams Lehmann.

Für die Weltfrauenkonferenz konnten wir junge Frauen begeistern.

Wuppertal
Courage-Stand mit Kundgebung, Solidarität mit von Verurteilung nach §219a betroffenen oder bedrohten Ärztinnen und Ärzten

Am 15.5.21 kündigte Radio Wuppertal den Stand an mit dem Motto: „150 Jahre Frauenverband Courage“.
Was für eine journalistische Sachkenntnis und Recherche!
Würde Courage wirklich schon 150 Jahre bestehen, sähe die Welt der Frauen (vielleicht) schon viel anders aus.

Courage-Wuppertal hat jedenfalls die Aktivität am 15.5. gegen § 218 in der Presseerklärung korrekt angekündigt: Anlass war das 150-jährige Bestehen des § 218!

Nach einem heftigen Regenschauer führten wir dann an unserem Infostand auch eine Kundgebung durch mit verschiedenen Wortbeiträgen:

Eine weibliche Kanzlerin darf in Deutschland über politische Angelegenheiten des ganzen Landes entscheiden. Aber Millionen Frauen in Deutschland dürfen nicht wirklich über ihren eigenen Körper oder eine Schwangerschaft entscheiden. Diese besondere Unterdrückung der Frau ist im Strafgesetzbuch festgeschrieben durch § 218/219a – Schwangerschaftsabbruch und ärztliche Informationen über deren Methode sind strafbar und nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

„Wir sind nicht für Schwangerschaftsabbruch an sich, sondern für das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Niemand – kein Staat, kein Gericht, keine Kirche – hat das Recht, über den Körper der Frau zu entscheiden!“

Wir sprachen auch den betroffenen Ärztinnen und Ärzten unsere Solidarität aus, die wegen § 219a vor Gericht gezerrt werden wie aktuell am 20.Mai der Frauenarzt Merchel aus Nottuln. Hat er doch nur, übrigens seit 15 Jahren, auf seiner Website informiert, dass er medikamentösen Schwangerschaftsabbruch durchführt.

Dieser § 219a stammt von 1933, aus der Zeit des Hitlerfaschismus. Auch die sogenannte Reform des § 219a aus dem Jahr 2019 hält die Bevormundung und Kriminalisierung der Ärzt/innen aufrecht!

  • Unser Frauenverband Courage fordert die Abschaffung des § 218 und § 219a und dass Frauen im 21. Jahrhundert endlich selbst über ihren Körper und ihr Leben bestimmen dürfen!
  • Wer sich mit uns gegen § 218, für die wirkliche Befreiung der Frau und eine lebenswerte Zukunft aller Kinder engagieren möchte, ist in unserem Frauenverband Courage herzlich willkommen!

Die gesamte Aktion wurde begleitet von einem Journalisten der Westdeutschen Zeitung. Wir sind gespannt auf die Berichterstattung!

Courage-Wuppertal


Fotos:
Frauenverband Courage Frankfurt, München, Wuppertal