Die Bergarbeiterfrau Jutta Jell aus Neukirchen-Vluyn kämpft seit Jahren für ihre Witwenrente – in der Öffentlichkeit und vor Gericht. Die „Bergarbeiterfrauen AG in Courage“ unterstützt sie dabei gemeinsam mit den überparteilichen Zusammenschlüssen „Kumpel für AUF“ und „NV Auf geht’s“.
In einem gemeinsamen Flyer heißt es:
Tagtäglich muss die 67-jährige Bergarbeiterwitwe Jutta Jell aus Neukirchen-Vluyn bis zum Lebensende bei Wind und Wetter in aller früh Zeitungen austragen. Das verlangt der Gesetzgeber und die Sozialgerichte haben in höchster Instanz dies bestätigt. Ihr wird seit 2020 die Bergmannsrente von der Knappschaft verweigert, obwohl ihr Mann über 40 Jahre auf der Zeche Niederberg unter Tage malocht hat. 38 Jahre hatten beide in einer Lebensgemeinschaft für einander gesorgt, waren aber nur 7 Wochen amtlich verheiratet, als ihr Mann im Oktober 2019 plötzlich verstarb.
Jutta will nicht kleinbeigeben. „Zu kurz verheiratet: Witwe zieht vors Bundesverfassungsgericht. Sie will damit auch ein Zeichen gegen Diskriminierung vor allem der Frauen und auch der Unverheirateten setzen“. (NRZ 18.10.23).
Damit kämpft die Bergarbeiterwitwe Jutta Jell stellvertretend für Millionen Frauen um das soziale Recht auf eine vollständige Hinterbliebenenrente. Ohne Wenn und Aber wären für alle mindestens 60 Prozent des letzten Verdienstes des verstorbenen Partners angemessen.
Recht auf Hinterbliebenenrente für jede Lebensgemeinschaft – unabhängig vom Trauschein
Während bei Lebensgemeinschaften Unterhaltsverpflichtungen gesetzlich festgelegt sind, will der Staat nichts davon wissen, sobald diese ihr eigenen, selbst erworbenen Rechte geltend machen wollen. Erst nach 12 Monaten standesamtlich beglaubigter Ehe wird nach geltendem Recht eine Witwenrente freigegeben.
Wir lehnen es ab, dass der Staat darüber entscheidet, wie zwei Menschen ihre Lebensgemeinschaft organisieren. Die Rente steht unter Verfassungsschutz und ist durch lange Kämpfe ein erworbenes Eigentumsrecht aller lohnabhängig Beschäftigten. Die Auszahlung für die Einzelnen muss nach dem durch die Lebensarbeitszeit erworbenen Anteil erfolgen. Ob Trauschein oder nicht – mittelalterliche Moralvorstellungen sollten in unserer modernen Zeit längst überholt sein.
Das Sozialgericht Duisburg sagt ja zur Witwenrente
– die Bundesknappschaft verweigert dies
Für den Richter des Sozialgerichts Duisburg bestand nach ausführlicher Zeugenanhörung kein Zweifel daran, dass Jutta die Rente zusteht. Unzweifelhaft wurde die Eheschließung nicht zum Zweck der Rentenerschleichung (sog. Versorgungsehe) geschlossen.
Doch selbst nach dieser eindeutigen rechtlichen Klärung ging die Knappschaft dreist gegen Jutta vor. Die Willfährigkeit gegenüber den Profitinteressen der RAG verfolgt die Kumpel und ihre Familien bis ins Grab und darüber hinaus! Was für eine verlogene Huldigung der Kumpel als „Erbauer der Bundesrepublik“, wenn so der Lebensabend für viele Bergarbeiterwitwen aussieht!
Der Revision der Knappschaft gab das Landessozialgericht in Essen mit einem Skandalurteil nach. Zeugen brauchte man nicht anzuhören. Richterliches Vorurteil stand da über dem Gebot im Namen des
Volkes die Wahrheit zu ergründen. Auf derselben Schiene folgt auch unbesehen das Bundessozialgericht in Kassel.
Kein Einzelfall, deshalb Klage beim Verfassungsgericht
Jutta Jell ist kein Einzelfall. Die Hinterbliebenen als Einzelne haben aber keine Möglichkeit dagegen vorzugehen. Deshalb haben wir uns entschlossen, dagegen den organisierten Widerstand entgegenzusetzen. Der Anwalt Peter Klusmann, Gelsenkirchen, hat am 1. Oktober die Klage eingereicht. Diese stützt sich auf das Antidiskriminierungsgesetz und die grundgesetzliche Garantie der Renten. Dieser muss an die geltenden wirtschaftlichen und kulturellen Lebensbedingungen angepasst werden.