Polizeigewalt in Deutschland undenkbar – weil der Frauenanteil in der Polizei wächst?

In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung erschien anlässlich der Polizeigewalt in den USA ein Interview mit dem Kriminologen und ehemaligen niedersächsischem Justizminister (SPD) Christian Pfeiffer. Überschrift: „Diese Gewalt ist bei uns undenkbar“.

Am gleichen Tag hörte ich von einem brutalen Polizeieinsatz in Herne gegen eine Couragefrau und ihren Bruder. Weil sie ihrem Bruder gegen die Bedrohung durch die Polizei zu Hilfe eilte, wurde sie brutal zu Boden geworfen, martialisch bedroht, angebrüllt und mit Pfefferspray verletzt. Mitgenommen zur Wache musste sie sich dort nackt ausziehen!

Keine steht allein!

Die Couragegruppe Herne stärkt B. super den Rücken, hat den Vorfall gleich mit einem Leserbrief bekannt gemacht und unterstützt B. bei der Anzeige gegen die beteiligten Polizeikräfte.
Auch wenn das Ausmaß von Rassismus und Polizeigewalt in den USA weit größer ist, darf man das Problem in Deutschland nicht verharmlosen.
Um seine These von der „Undenkbarkeit von Polizeigewalt in Deutschland“ zu begründen, greift Christian Pfeiffer zu bizarren Argumenten.

Rasissmus, Diskriminierung und Gewalt ist keine Frage des Geschlechts

So sagt er: „Die schrittweise Feminisierung der Polizei hat dazu beigetragen, dass die Polizei insgesamt besser darauf vorbereitet ist, im Konfliktfall klug zu kommunizieren.“ Unter Neuzugängen bei der Polizei seien inzwischen rund 50% Frauen. Frauen könnten besser zur Deeskalation beitragen als ihre männlichen Kollegen.

Als wären Rassismus, Diskriminierung und Gewalt eine Frage des Geschlechts! Das liegt ja wohl am Charakter und der politischen Einstellung, ob man/frau andere Menschen mit Respekt behandelt oder sie diskriminiert. Bei dem brutalen Polizeieinsatz gegen unsere Couragefrau waren auch Polizistinnen dabei.

Nur die Erziehung?

Weiter behauptet Pfeiffer, der „wichtigste Unterschied zwischen Deutschland und den USA ist die Erziehung der Kinder mit Gewalt.“ Aus einer Erziehung „nach dem Motto ‚Viele Hiebe, wenig Liebe’“ entstünden automatisch „Rassismus und die Begeisterung für die Todesstrafe. In Deutschland hat dagegen … unsere Gesellschaft nichts so sehr verändert, wie der ausgeprägte Wandel der Erziehung in Richtung von mehr Liebe und weniger Hiebe. Das hat bei den jungen Menschen Rassismus und Rechtsextremismus reduziert.“

Ohne Frage sind das Elternhaus und die Erziehung wichtig für die Entwicklung des Charakters von Kindern. Aber eben nicht allein, einen großen Anteil hat die Gesellschaft und das Klima, in dem Kinder groß werden. Mit seiner Logik macht Herr Pfeiffer letztlich auch die Mütter des Mörders von George Floyd und die der faschistischen Attentäter von Hanau, Halle, Kassel und des NSU mitverantwortlich für deren Taten!

Rechte und faschistische Gewalt ist auch in Deutschland gestiegen

Weltweit und auch in Deutschland verschärft sich die Rechtsentwicklung der Regierung und der etablierten Parteien. Die rechte und faschistische Gewalt hat sich auch in Deutschland nicht reduziert, sie ist gestiegen! Immer häufiger werden Fälle von Rassismus und Rechtsextremismus in Polizei und Bundeswehr aufgedeckt, bis hin zu richtigen Netzwerken. Auch das wird lieber verharmlost, als konsequent Rassisten und Faschisten aus Polizei und Militär zu werfen!

Lasst uns jetzt ein Zeichen setzen

Die Erfurter Erklärung des Frauenpolitischen Ratschlags ruft auf:

„Lasst uns jetzt ein Zeichen setzen – und zwar ein deutliches! Wir stehen gegen ultrareaktionäre, faschistoide und faschistische Kräfte. Wir stehen für fortschrittliche, demokratische und konsequent antifaschistische Werte und Politik. Wir wenden uns gegen die Verharmlosung der Gefahren von rechts. Wir stehen solidarisch mit Migrantinnen und Migranten…“

Die Anfänge, denen wir wehren müssen, haben schon begonnen.

Lasst uns unsere Bemühungen verstärken, Unterzeichnerinnen für die Erfurter Erklärung zu gewinnen und viele neue Frauen für Courage und eine breite antifaschistische Einheit. Solidarität mit B. – keine steht allein! Gegen jede Gewalt an Frauen!

Hier geht es zur Erfurter Erklärung