Dr. Hope Bridges Adams Lehmann – erste Ärztin Deutschlands – im Visier von Abtreibungsgegnern

Die bisher weitgehend unbekannte Ärztin lebte von 1855 bis 1916. Als erste Frau in Deutschland legte sie 1880 in Leipzig ein medizinisches Staatsexamen ab, das erst 1904 offiziell anerkannt worden ist. Ihre Promotion musste sie in der Schweiz ablegen. Frauen wurden zur Zeit ihres Studiums als geistig zu schwach, unfähig für schnelle Entscheidungen und geistig den Männern unterlegen bezeichnet. Sich darüber hinwegzusetzen war für Dr. Hope Bridges Adams alles andere als einfach.

Eine Heimat fand sie in der (damals revolutionären) Sozialdemokratie, in der sie die Meinung vertrat, es gebe keine Befreiung der Frau, die nicht den Mann mit einbezieht. Sie hielt eine sozialistische Gesellschaft für erstrebenswert, in der Erziehung, Familienangelegenheiten, Schule, medizinische Versorgung gesellschaftlich gelöst werden. Und sie suchte und fand dafür Lösungen, vor allem in ihrer Zeit in München ab 1896 mit ihrem zweiten Mann Carl Lehmann. Beide engagierten sich für eine bessere medizinische Versorgung der Arbeiter. Hope setzte sich vor allem für Arbeiterfrauen ein, z.B. für eine vernünftige Milchversorgung und Hygiene für Mütter.

Ihre Praxis in München hatte sich immer mehr zur Armenpraxis entwickelt. Gerade bei den Themen Schwangerschaft und Geburt wurde sie zur Spezialistin. Sie bildete ihre Patientinnen – vor allem die jüngeren – in Empfängnisverhütung und Sexualaufklärung aus.

Die Praxis des Ehepaares Lehmann war in ihrer Münchner Wohnung. Neben ihren eigenen Söhnen lebten dort zeitweilig die Söhne von Clara Zetkin, die selbst oft zu Besuch war. Auch August Bebel verkehrte regelmäßig mit den Lehmanns. Lenins Korrespondenz während seines Schweizer Exils ging über die Adresse des Arztehepaares.

Ab dem Frühjahr 1914 überzog die Justiz Dr. Hope Bridges Adams Lehmann mit einer Verfahrenswelle wegen „Verbrechen wider das Leben“ – dem Schwangerschaftsabbruch. Sie wurde denunziert, Patientinnen und Kolleginnen verhört. Der Vorwurf: ohne gesetzliche Grundlagen Schwangerschaften abgebrochen zu haben.

Sie wurde jedoch in 70 Fällen freigesprochen, denn sie konnte nachweisen, dass ihre Patientinnen an schweren Krankheiten litten, ihre Kinder schon im Mutterleib hungerten und auch das Leben der Mutter riskiert worden wäre.

In ihren letzten Lebensjahren engagierte sie sich entschieden gegen den Krieg, war Teil der bürgerlichen Frauenbewegung, die sich kurz vor der Novemberrevolution mit der proletarische Frauenbewegung enger zusammenschloss. Sie ging in ihr Heimatland England, um von dort aus den Krieg zu bekämpfen.

Eine bemerkenswerte Frau, deren Wirken viel zu wenig bekannt ist. Auch ein Teil der Unterdrückung der „weiblichen“ Geschichte.

Courage München


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Prof. Dr. Marita Krauss, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9893649