Wir sind selbst Expertinnen unseres Lebens – weg mit dem §218!

Im Juni 2022 beschloss der Bundestag die Abschaffung des §219a – ein Erfolg der Frauenbewegung und mutiger Ärztinnen, die trotz des Verbots ausführlichere Informationen zum Schwangerschaftsabbruch veröffentlichten.

Die Forderung der kämpferischen Frauenbewegung nach der kompletten, ersatzlosen Streichung des §218 aus dem Strafgesetzbuch bleibt auf dem Tisch. Er entmündigt die Frauen, verbietet den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich und stellt ihn unter Strafe. Straffrei bleibt er nur nach einer Vergewaltigung, wenn das Leben der Schwangeren gefährdet ist oder wenn er in den ersten 12 Wochen nach einer Zwangsberatung und einer anschließenden 3-tägigen Bedenkzeit erfolgt.

Kristina Hänel, eine der Ärztinnen die aufgrund des §219a zu einer höheren Geldstrafe verurteilt und mit viel Solidarität dagegen gekämpft hat, kritisiert gegenüber dem Tagespiegel: „Ein Schwangerschaftsabbruch ist ein ethisches Dilemma, das sich nicht lösen lässt. Der Eingriff gehört zur medizinischen Versorgung, ist aber gleichzeitig strafrechtlich verboten. (…) Wenn Ärzt:innen für diesen Eingriff fast ins Gefängnis gesteckt werden, wollen sie es natürlich nicht machen.“ Dazu kommt, dass sogenannte „Lebensschützer“ Beratungsstellen, Praxen und Kliniken regelrecht belagerten und betroffene Frauen unter Druck setzten. Die Versorgung in Deutschland sei deshalb denkbar schlecht und die Kosten eines Abbruchs – zwischen 300 und 1000 Euro – würden nicht von Krankenkassen übernommen.

Nun hat die Bundesregierung eine Expertenkommission „zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ berufen. Sie hat ein Jahr lang Zeit, um eine Empfehlung abzugeben, „ob es ein verfassungsfestes Modell geben könnte, welches das ungeborene Leben ausreichend schützt, aber ohne das Strafgesetzbuch auskommt“, so FDP-Justizminister Buschmann und „Wenn die Kommission eine Lösung findet, werden wir das gründlich ansehen und dann politisch entscheiden.“. Gleich warnt er dann vor einer „voreiligen Vorfestlegung“.
Wenn es allerdings um die Freiheit der Monopole geht, z.B. geborenes Leben durch unzureichende Umweltauflagen zu gefährden, ist die FDP nicht so zögerlich.

Was die Verfassung angeht, so hat das Bundesverfassungsgericht 1993 in einem empörenden Urteil erklärt, für die Frau gäbe es die „grundsätzliche Pflicht zum Austragen des Kindes“ und der Staat müsse dafür sorgen, dass sie dieser nachkomme. Damit wird den Frauen eine generelle Gebärpflicht auferlegt, dem befruchteten Ei bzw. dem nicht eigenständig lebensfähigen Fötus ein eigenes Lebensrecht zugestanden, das gegen die schwangere Frau verteidigt werden muss.

Daran soll die Kommission also ihre Arbeit ausrichten. Sie besteht aus 18 „Expertinnen und Experten“ der Bereiche Ethik, Medizin und Recht, davon 15 Frauen. Darunter ist auch die frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Christiane Woopen. Die Professorin für Medizinethik war von 2000 bis 2007 Mitglied des Bundesvorstands des Vereins donum vitae. Dieser bietet Schangerschaftskonfliktberatung an, versteht sich aber als konfessionell katholisch, zielgerichtet auf das Lebensrecht des ungeborenen Kindes. Eine ähnliche Zielrichtung vertritt die „Bundesstiftung Mutterkind“, in deren Kuratorium Christiane Woppen Mitglied ist. Die christlichen Kirchen und ihre Weltanschauung sitzen damit zwar nicht direkt in der Kommission, aber doch mit am Tisch.

Diese Kommission und die angekündigte politische Entscheidung sind reine Augenwischerei. Zumal die „christlich-soziale“ bayerische Staatsregierung angekündigt hat gegen eine Streichung des Abtreibungsparagrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Darauf können wir verzichten.

Wir Frauen sind selbst Expertinnen für unser Leben. Den Kampf für die ersatzlose Streichung des §218 und einen legalen, sicheren und von den Krankenkassen bezahlten Schwangerschaftsabbruch werden wir weiterführen – auch ermutigt durch die erfolgreichen Bewegungen in Argentinien oder Irland. Dafür gehen wir auch am 8. März auf die Straße.

(Korrespondenz aus Frankfurt)

Titel Grafik: Instagram-Grafik aus Russland

In dem Post der „Feministinnen aus Chelyabinsk“ heißt es:
„In unserem Land Russland gibt es Initiativen für Bestimmungen gegen die reproduktiven Rechte von Frauen und gegen den Feminismus. Wir sind nicht allein. Überall auf der Erde werden Frauen von patriarchalen, bürgerlichen Staaten angegriffen.  Für die Rechte der Frauen in Russland und die internationale Solidarität der Frauen der Welt.“