Wir sind mit ganzem Herzen bei euch – Brief an die Frauen und Familien der Bergleute von Stilfontein

Solidaritätsbrief
der Bergarbeiterfrauen im Frauenverband Courage

Liebe Frauen, Familien der Bergleute von Stilfontein,

mit Entsetzen haben wir gelesen, dass die südafrikanische Regierung den Tod eurer Männer, Söhne bewusst und in menschenverachtender Weise in Kauf nimmt.

Wir sind mit ganzem Herzen bei euch und ihr habt unsere vollste Solidarität. Wir betrauern mit euch die bereits gestorbenen Bergleute. Für uns ist das Mord und die Mörder sind die Polizei und die südafrikanische Regierung, die eure Männer und Söhne in den Bergwerken ohne Wasser und Essen gefangen halten.

Viele eurer Männer sind nach Südafrika gekommen, um Geld zu verdienen und eure Familien vor dem Hunger zu bewahren. Sie sind unter Lebensgefahr in die stillgelegten Goldgruben gestiegen. Seit wann ist es illegal und kriminell, dass Arbeiter ihre Arbeitskraft verkaufen, damit ihre Familien überleben können. Illegal und kriminell sind die, die sich an der Arbeitskraft eurer Männer bereichern, die kapitalistischen Aufkäufer und die, die diesen Ausbeutern helfen. Sie sind es, die die Bergwerke stilllegen und die Bergleute dann zwingen unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen und für einen ohnehin viel zu geringen Lohn ihr Leben zu riskieren. Kriminell ist auch, dass ihr Frauen und Angehörige eure Männer weder mit Wasser noch mit Nahrung versorgen könnt.

Wir fordern die Polizei und die südafrikanische Regierung auf:

  • Sofort Schluss mit der Blockade der Schächte von Stilfontein!
  • Sofortige Hilfe für die Bergleute!
  • Zusage von Straffreiheit für eure Männer und Strafverfolgung der Schuldigen, die euch in diese Lage gebracht haben.

Wir werden diesen Skandal in Deutschland und in unserem Frauenverband bekannt machen. Informiert uns, welche Hilfe ihr braucht. Bleibt mit uns in Kontakt, denn nur gemeinsam, weltweit über Ländergrenzen hinweg sind wir stark!

Mit solidarischen Grüßen

für die Bergarbeiterfrauen im Frauenverband Courage
Seyran Cenan und Ingrid Dannenberg

Kontakt:
ingrid-d@gmx.de und seyrancenan@web.de

Zum Hintergrund:

In von internationalen Konzernen aufgegebenen Bergwerken Südafrikas wurden monatelang Bergleuten, die dort im handwerklichen Bergbau arbeiten gefangen gehalten, ausgehungert und dem Tod überlassen. Sie bauen Mineralien wie Gold oder Platin ab, deren weiterer Abbau den internationalen Bergbaukonzernen nicht mehr genügend Profit brachte.

1988 waren allein in den Goldminen 488.000 Bergarbeiter angestellt. Heute sind es nach Angaben der Gewerkschaft Saftu nur noch 93.000. Nach Schätzungen der Bench Mark Foundation arbeiten allein in den stellgelegten Gold- und Platinminen rund um Johannesburg und Pretoria 36.000 Menschen im handwerklichen Bergbau. Für die Bergleute ist die gefährliche Arbeit in den Minen oft die einzige Einnahmequelle. Südafrikas Arbeitslosenquote liegt bei rund 43 Prozent. Die Bergleute werden meist von kriminellen Netzwerken ausgebeutet, die den Abbau in der Hand haben. Viele der Arbeiter kommen ohne gültige Papiere aus den Nachbarländern Simbabwe, Mosambik und Lesotho, weil sie sonst keine Arbeit haben.

Im August schloss die Regierung Südafrikas die Ein- und Ausgänge der Schächte und startete die Militär- und Polizeioperation „Vala Umgodi“ – „Schließt das Loch“. Bergleute, die die Minen verließen, wurden vor Gericht gestellt, viele abgeschoben. Hunderte harrten in den letzten Wochen in den Minen ohne Lebensmittel und Trinkasser aus. Organisationen wie MACUA (Mining affected Communities in Action), das Aktionsbündnis der vom Bergbau betroffenen Gemeinden, organisierten eine notdürftige Versorgung und Rettungsversuche, während die Regierung jede Hilfe verweigerte, sie sogar sabotierte.
Im November, als die Vorräte in den stillgelegten Minen zu Ende gingen, gab Präsidialamtsministerin Khumbudzo Ntshavheni die menschverachtende Erklärung ab: „Wir schicken Kriminellen keine Hilfe. Wir räuchern sie aus.“
Menschenrechtsanwalt Mametlwe Sebei wirft der Polizei und den Betreibern der Mine in Stilfontein vor, die Aufzüge und Treppen in den Schächten abgebaut und damit die Rückkehr der Bergleute an die Oberfläche gezielt verhindert zu haben. Hunderte starben an Hunger, Schwäche, Krankheiten durch vergiftetes Wasser oder beim Versuch aus den Minen zu klettern.
MACUA erhob Klage beim Verfassungsgericht und erstritt ein Urteil, dass die Regierung zur Rettung der Bergleute verpflichtete. Mitte Januar wurden in Stilfontein schließlich durch eine von der Regierung bestellten Firma 246 Bergleute gerettet und 78 Tote geborgen. Frauen, Mütter, Schwestern, Brüder und Väter bangen weiter. Denn wieviele Tote noch Untertage liegen und ob alle Bergleute gerettet sind, bleibt weiter unklar. Aber die Polizei hat die Rettungsaktion als abgeschlossen erklärt.

Es ist ein Massaker. Das schlimmste Massaker in der Geschichte Südafrikas.

Christopher Rutledge, MACUA-Geschäftsführer klagt an: „Es ist ein Massaker. Das schlimmste Massaker in der Geschichte Südafrikas.“ – „Die Autopsien der Toten, die wir nach oben gebracht haben, zeigen ganz klar, dass die Männer an Hunger gestorben sind. Sie wurden nicht von Gang-Bossen unter Tage ermordet.“ Die Verantwortung dafür liege bei der Regierung und der Polizei.