Im Gespräch mit Jelena, Kroatin, Mitglied im Frauenverband Courage
Ulrike: Liebe Jelena, Du hast die Kriege im Balkan in den 1990iger Jahren selbst erlebt. Erstmals war Vergewaltigung nicht nur eine Begleiterscheinung wie in früheren Kriegen, sondern wurde bewusst als Kriegswaffe eingesetzt. Möchtest Du erzählen, was Du selbst erlebt hast?
Jelena: Ich bin Überlebende. Ich mag den Namen Opfer nicht, damals war ich Opfer, aber jetzt bin ich Überlebende. Ich mag es nicht, wenn die Frauen nur weinen und hilflos sind. Mein Exmann war Soldat. Er hat mich geschlagen und vergewaltigt in der Ehe.
Er hat auch eine junge Frau vergewaltigt. Der Freund der jungen Frau hatte ihn nach einer leeren Wohnung gefragt, für sich und seine Freundin. Sie waren Muslima und hatten Angst umgebracht zu werden. Mein Mann hat die junge Frau in die Wohnung gelockt, abgeschlossen und sie mit seiner Waffe bedroht. „Wenn Du nicht mit mir machst, dann erschieß ich Dich.“ Er hat sie vergewaltigt. Sie hat es mir weinend erzählt.
Im Krieg galt das Wort eines Soldaten, das Wort einer jungen Frau war nichts wert.
Sie haben ihn von der Militärpolizei geholt, vier Stunden verhört, dann wegen zu wenig Beweisen freigelassen. Solchen aggressiven Männern soll man keine Waffe geben. Diese Macht zusammen mit Waffen ist eine Katastrophe. Er hat Handgranaten gesammelt, ich hatte Angst, aber er sagte es ist Krieg, er weiß es besser.
Ulrike: Wir haben uns in der Vorbereitung auf unseren Workshop „Jeder Krieg ist ein Krieg gegen Frauen“ für die Weltfrauenkonferenz kennen gelernt. Die bosnischen Frauen, Betroffene der Kriegsvergewaltigungen, haben sich organisiert. Sie haben durchgesetzt hat, dass die Täter in Den Haag auch wegen Vergewaltigung als Kriegsverbrechen angeklagt wurden. Was ist Dir wichtig nach dem Workshop?
Jelena: Das ist nicht zu Ende. Der Kampf für die Verurteilung der Täter muss weiter gehen. Es gab ein Frauengericht in Sarajevo 2015 und eines in Osijek 2022, organisiert von NGOs und Frauenorganisationen aus Ex-Jugoslawien, wie z.B. die Frauen in Schwarz.
Über 500 Frauen waren in Sarajevo beteiligt. Mit internationaler Unterstützung: eine Frau der Mütter des Plaza de Mayo, eine aus Palästina, aus Deutschland, aus Frankreich und den USA. Das ist kein vom Staat anerkanntes Gericht, um die Anerkennung kämpfen wir. Ich war eine von 28 Zeuginnen, viel mehr Frauen waren betroffen, aber mehr konnten nicht aussagen. Wir haben uns gut vorbereitet, sonst hätten wir niemals aussagen können. Wir hatten Workshops von je 20 Frauen, mit einer Psychologin. Wir konnten unsere Geschichten erzählen und haben uns verstanden. Da habe ich gelernt zu weinen. Mein Vater war Alkoholiker und hat uns geschlagen und verboten zu weinen.
Ulrike: Heute werden wieder Frauen im Krieg vergewaltigt: ukrainische Frauen. Was meinst Du dazu? Hilft es den Frauen, wenn deutsche Panzer geliefert werden?
Jelena:
Auf keinen Fall! Die Waffenlieferung kann den Krieg verlängern. Dann werden noch mehr Frauen vergewaltigt.
Diese blöden Männer wie Putin, und vielleicht 100 oder 1000 andere. Und wir alle leiden wegen diesen Idioten. Eine russische Mutter mit zwei Söhnen sagte: „Ich schicke meine Söhne nicht in den Krieg.“ Eine andere sagte: „Du musst wenigstens einen schicken. Welchen?“ Und sie: „Keinen, ich will keinen geben.“
Ulrike: Man kann doch nicht entscheiden, das eigene Kind in den Tod zu schicken.
Jelena: Ich habe eine Tochter, aber ich würde kein Kind in den Krieg schicken.
Am Anfang vom Ukrainekrieg habe ich in Frankfurt mitgemacht bei der Mahnwache vor dem russischen Konsulat. Da habe ich mit vielen ukrainischen Frauen geredet. Einige waren rechtsextrem, die waren gegen alle russischen Leute, russische Musik, alles aus Russland. Ich bin gegen Putin aber für russische Leute. Ich habe geredet mit diesen Frauen: „Du bist hier in Deutschland, relativ sicher, Du kannst nicht eine Nation verurteilen wegen 100 Idioten.“ Ich kann den Hass nicht verstehen. Bei dem Nationalismus bekomme ich Flashbacks (Rückerinnerungen) an den Krieg und die Gewalt, an den Hunger. Die Regierung in Kroatien ist weit weg von Demokratie Es gibt es immer noch Lieder mit Nationalismus um Soldaten zu motivieren auf andere zu schießen.
Faschismus ist keine Meinung Faschismus ist ein Verbrechen.
Ulrike: Danke für das Interview!