Solidarität mit Lisa Poettinger

Das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus verweigert Lisa Poettinger nach Beendigung ihres Lehramtsstudiums mit dem 1. Staatsexamen die Aufnahme des Referendariats. Das kommt einem Berufsverbot gleich, weil sie ihre Ausbildung nicht abschließen darf. „Die 28-Jährige, eine der führenden Stimmen der Klimaprotestbewegung in Bayern, ist aber auch deswegen bekannt, weil sie vor einem Jahr auch die Massendemos gegen die AfD unter dem Motto „Gemeinsam gegen rechts“, zu denen in München Hunderttausende kamen, als Versammlungsleiterin organisiert hatte.“, so die Süddeutsche Zeitung.

Der Solidaritätskreis gegen Lisas Berufsverbot informiert über den weiteren Hintergrund dieses skandalösen Vorgangs und ruft zur Solidarität auf.

Hintergrund

Lisa hatte bereits 2015 mit dem Abitur eine Auszeichnung für besonderes ehrenamtliches Engagement durch ihren Einsatz für Geflüchtete erhalten. Die über die Jahre ihres Aktivismus gewachsene Erkenntnis, dass unendliches Wachstum auf einer Erde mit begrenzten Ressourcen nicht möglich ist, führte sie zum Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München. Dieses organisierte zum Beispiel eine Kampagne im von Armut betroffenen Münchner Viertel Hasenbergl gegen eine Autobahn durch Parks und Spielplätze oder Proteste gegen die Automobilmesse IAA. Das Klimatreffen strebt den Zusammenschluss von Beschäftigten und Klimabewegung und eine demokratisierte, bedürfnis- statt profitorientierte Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen an.

Deshalb wirft das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus Lisa nun vor, eine Verfassungsfeindin zu sein, denn die Ablehnung des Kapitalismus sei zugleich eine Ablehnung der Demokratie. Dabei erklärte die Bundesregierung 2017 selbst: „Der Kapitalismus als Wirtschaftssystem ist nicht Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“ [1] Wer Kapitalismus und Demokratie gleichsetzt, kann jegliche Proteste für verfassungswidrig erklären und kriminalisieren, die sich gegen die Profitmaximierung einiger weniger auf Kosten von Mensch und Natur richten.

Wegen Lisas (kapitalismus-)kritischer Haltung und zweier laufender, offener Ermittlungsverfahren soll es nun zum Ausbildungs- und Berufsverbot kommen. Eines der beiden Ermittlungsverfahren steht im Zusammenhang mit der Großdemonstration gegen die Zerstörung des Dorfes Lützerath für den Kohleabbau. Im anderen wird Lisa vorgeworfen, ein offensichtlich verfassungswidriges AfD-Plakat beschädigt zu haben. Verurteilt ist sie nicht, die in Deutschland grundsätzlich geltende Unschuldsvermutung wischt die Behörde beiseite. Währenddessen fordert der AfD-Politiker und Faschist Björn Höcke ein arisches Deutschland, massenhafte Deportationen, patriarchale Unterdrückung und einen „Aderlass“ der Gesellschaft [2]. Höcke hat weiterhin eine Lehrerlaubnis. Lisa soll sie verwehrt werden.

Wie jede andere Berufsgruppe auch, haben Lehrkräfte das Recht, privat politisch engagiert zu sein. Besonders an Schulen, an denen Kinder und Jugendliche in Demokratie, Kritikfähigkeit und Meinungsfreiheit erzogen werden sollen, sind politisch engagierte Lehrkräfte erforderlich, die diese Werte nicht nur vermitteln, sondern auch selbst vorleben. Es ist ihr Bildungsauftrag, unter Wahrung des Neutralitätsgebots und Indoktrinationsverbots zukünftige Generationen zur Mündigkeit zu erziehen. So hatte auch Lisa einen Sozialkundelehrer, der vormals CSU-Bürgermeister war und diese beiden Rollen zu trennen wusste. Kritik an der gesellschaftlichen Ordnung muss nicht nur erlaubt sein, sondern ist essentiell für die fortwährende Weiterentwicklung unseres Zusammenlebens.

Quellen:

[1] Konformität von Antifaschismus und Antikapitalismus mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung https://dserver.bundestag.de/btd/19/003/1900351.pdf

[2] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-10/rechtsextremismus-bjoern-hoecke-afd-fluegel-rechte-gewalt-faschismus

Aufruf
Solidarität mit Lisa Poettinger –
gegen politisch motivierte Berufsverbote!

Wir sind schockiert von der Entscheidung des bayerischen Staatsministeriums, Lisa die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt zu versagen! Egal ob wir Lisas Einschätzungen und Herangehensweisen teilen oder nicht: Einer engagierten Person aus politischen Gründen den Berufsweg, ja sogar den Abschluss der Ausbildung zu verweigern, halten wir für skandalös! Ein Berufsverbot stellt einen eklatanten Eingriff in die Grundrechte einer Person dar. Es beschneidet die Freiheit, über den eigenen beruflichen Lebensweg zu bestimmen; es beschneidet das Recht auf Bildung; die Möglichkeiten, die eigene existenzielle Grundlage zu sichern und darüber hinaus geht es mit einer immensen gesellschaftlichen Ächtung und Ausgrenzung einher.
Ein derartiger Eingriff in das Leben einer politisch aktiven Person muss auch als Abschreckungsversuch gegen andere für Klimaschutz, Menschenrechte, Demokratie und Gerechtigkeit engagierte Personen verstanden werden. Das Berufsverbot gegen Lisa reiht sich ein in die immer weitergehende Überwachung, Marginalisierung, Kriminalisierung und gewaltsame Unterdrückung von Klima- und weiteren sozialen Protesten. Wir stellen uns gegen die Einschüchterung von Menschen, die sich für progressive Veränderungen einsetzen.

Deshalb fordern wir das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus dazu auf, Lisa den Eintritt in den Vorbereitungsdienst endlich zu ermöglichen und ihr damit ihr Grundrecht auf Ausbildung nicht weiter zu verweigern!

Wir rufen daher dazu auf:
Solidarisiert euch mit Lisa und unterzeichnet diesen Aufruf!

  • Als Einzelperson einfach hier klicken und unten dem Aufruf euern Namen oder ein Pseudonym eingeben und unterzeichnen.
  • Als Gruppe schreibt uns bitte eine Email mit Logo an: Berufsverbot.lisa@systemli.org, dann fügen wir euch einer Erklärung mit allen Unterstützenden hinzu.

Links zu Berichten in der Presse:

Junge Welt
TAZ
web.de
Süddeutsche

Zu Berufsverboten Geschichte und aktuelles