Die Courage-Gruppe Kassel führte das folgende Interwiev mit einer Verteterin der Initiative „Save Nujin“ in Kassel, die auch auf dem 13. Frauenpolitischen Ratschlag mit einem Infostand vertreten war.
Courage:
Hallo Sohyun, du bist von der Initiative „SAVE NUJIN“, was hat es damit auf sich?
Sohyun:
Wir setzen uns dafür ein, dass die Friedensstatue ‚Nujin‘ wieder einen Platz im öffentli-chen Raum in Kassel bekommt.
Courage:
Wie kam es dazu?
Sohyun:
‚Nujin‘ ist nicht einfach nur eine Statue. Dieser Name bedeutet auf Kurdisch „Neues Leben“. Sie erinnert an die sogenannten „Trostfrauen“, also Mädchen und junge Frauen vor allem aus Korea, Philippinen, Malaysia, Taiwan, Vietnam, Thailand, China, Indonesien und Nie-derlande, die im Asien-Pazifik-Krieg (1931-1945) von der japanischen Armee unter falschen Versprechungen aus den Dörfern gelockt oder gewaltsam verschleppt und dann als Sexskla-vinnen in der japanischen Armee über Jahre missbraucht worden sind.
Erst 1991 hat Kim Hak-Sun, eine der überlebenden „Trostfrauen“ in Korea ihre Scham über-wunden, ist an die Öffentlichkeit gegangen und hat erklärt, dass entgegen der offiziell geltenden Meinung sie nicht freiwillig zur japanischen Armee gegangen sind. Die Japanische Zivilgesell-schaft hat gemeinsam mit den kritischen Historiker*innen dazu recherchiert und die Verbrechen der japanischen Armee bestätigt.
Seit 2011 steht eine rund um die Uhr bewachte Friedensstatue vor der japanischen Botschaft in Seoul, und jeden Mittwoch findet seit dem 8.Januar 1992 dort eine Demo statt, in der eine auf-richtige Entschuldigung und offizielle Entschädigung von Japan für diese Verbrechen verlangt wird, bisher ohne Erfolg.
Courage:
Wie kam es aber zu einer Statue für Kassel?
Sohyun:
Zur 1000. „Trostfrauen-Demo“ in Seoul, hat ein koreanisches Künstlerpaar diese erste Statue in Seoul installiert, gemeinsam mit „The Korean Council for Justice und Remembrance for issues of Military Sexual Slavery by Japan“, ein Bündnis von 37 Frauenorganisationen, wel-ches die „Trostfrauen“-Bewegung über Asien hinaus auf der ganzen Welt anführt. Ein Kopie wurde später auch in Berlin aufgestellt, und nachdem die Studierenden des AStA Kassel die AG „Trostfrauen“ im Korea Verband kontaktiert hatten, wurde der Wunsch geäußert, auch eine Kopie der Friedensstatue, im Zusammenhang mit der documenta 15, für 2022 nach Kassel zu bringen.
Im Juli 2022 hatte der damalige AStA der Uni Kassel es geschafft, dass eine Kopie für Kassel gespendet und ‚Nujin‘ auf dem Campus der Universität Kassel aufgestellt wurde. Von der Uni-Leitung war die Aufstellung begrüßt worden. Zwischen AStA und dem Korea Verband wurde ein Vertrag zur Dauerleihgabe geschlossen, deren Entwurf vom Rechtsamt der Universität geprüft wurde. Diesem Vertrag wurde im Studierendenparlament mehrheitlich zugestimmt und verabschiedet. Doch leider wurde die Statue dann, nach dauerhaften Druck durch japanische Diplomaten, aus politischen Gründen am 09.03.2023 – nur einen Tag nach dem Internationalen Frauentag – schnell, von einem Tag auf den anderen, und ohne Vorankündigung, heimlich entfernt und an einen unbekanntem Ort deponiert. Diese Entfernung war ein Versuch, die Stimmen der Frauen und ihre Geschichte zu unterdrücken. Aber wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen.
Courage:
Welchen Stellenwert hat denn diese Friedensstatue heute noch?
Sohyun:
Das Schicksal der „Trostfrauen“ ist kein Einzelfall. In allen Kriegen wurde und wird Gewalt gegen Frauen als Kriegswaffe eingesetzt. Auch in den KZs der Nazis wurden inhaftierte Frauen zur Prostitution gezwungen. Weltweit wurden und werden Frauen vergewaltigt, gefoltert und ermordet. Krieg entmenschlicht die Soldaten, egal welcher Nation sie angehören.
Nujin steht für das Gedenken an die Opfer. Sie ehrt vor allem die Würde und den Widerstand der überlebenden Opfer dieser Kriegsverbrechen, ist ein Symbol für die Aufarbeitung und Anerkennung der Geschichte und macht heute den Frauen Mut, sich mit aller Kraft für Frieden und gegen Krieg einzusetzen.
Courage:
Gibt es in Berlin auch solche Probleme mit der Statue?
Sohyun:
Ja. Seit 2020 steht sie im Bezirk Mitte-Moabit, heißt dort Ari, und die japanische Regierung übt seit Jahren Druck aus, sie zu entfernen. Bisher ist das am Widerstand gescheitert, auch dank der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, die sich mehrfach für den Erhalt ausge-sprochen hat. Zum 31.10. 2024 sollte sie entfernt werden. Dagegen ist der Korea-Verband ge-richtlich vorgegangen und wir warten auf die gerichtliche Entscheidung.
Courage:
Danke für das Interview, Sohyun. Unsere Kasseler Courage-Gruppe wird euch auch weiterhin in eurem Anliegen unterstützen. Wir haben ja mit deiner Unterstützung einen Offenen Brief an den Kasseler OB gerichtet und sind gespannt auf seine Antwort. Diesen Brief haben wir auf der Demonstration am 25.11. auch hundertfach verteilt.