EIN BRIEF AUS MORIA

Michalis Aiwaliotis, Partner des Solidaritätspakts zwischen der Solidaritäts- und Hilfsorganisation Solidarität International (SI) und der Organisation „OXI Lesvos resits Corona“, die aus Einheimischen und Flüchtlingen im Lager besteht und die den Einsatz der von uns im April gesammelten Nähmaschinen, Stoffe und Zubehör in Moria organisierte, schrieb nach Ausbruch des Brands am 09. September:

Hallo Iordani und alle Freunde von SI, vom Frauenverband Courage, der MLPD und alle anderen. Vielen Dank für eure Solidarität.

Es ist schön, euch als Freunde zu haben. Ihr wart die ersten, die wir über dieses schreckliche Ereignis informiert haben – das wir vorausgesehen haben. Und ihr wart die ersten, die sich sofort gemeldet haben und die genau wissen wollen, was passiert ist – nicht als Publicity sondern als Menschen, die helfen wollen.

Es haben sich so viele gemeldet, die Interviews haben wollten – die ganze Welt. Das habe ich anderen überlassen. Ich stehe nicht gerne für diese Art von „Interesse“ zur Verfügung. Aber was mich beeindruckt, ist das alle Fernsehsender der Welt nur hören wollen, wie schrecklich es war.

Ihr wollt wissen, wie man helfen kann und was wir hier brauchen. Das ist der große schöne Unterschied.

Heute war einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Ich bin seit 2 Uhr morgens auf den Beinen, und ich bin als erstes zum Lager gefahren, als ich es gehört habe.

Es war schrecklich: Menschen und Kinder schrien und rannten herum. Alle liefen Richtung Mytilene (die Inselhauptstadt, Anm. Courage).
Es sind 5000 Flüchtlinge, die alles verloren haben und die nichts haben außer dem, was sie am Körper tragen. Diese Menschen brauchen sofort Hilfe.

Die 35 mit Corona Infizierten sind unter den Flüchtlingen. Es wird ganz schlimm werden. Das wurde bekannt und die Einheimischen haben große Angst. Die Faschisten schreien: “Verbrennt sie“ … Die Spaltung vertieft sich ausgehend von der Angst vor Corona.

Die Regierung in Athen hat angeordnet, dass alle Flüchtlinge in zwei Militärlagern untergebracht werden. Sie werden gerade alle durch die Polizei dorthin gebracht. Die Regierung in Athen will mit Hubschraubern Zelte und sonstiges bringen.

Sie wollen so provisorisch das Problem lösen, bis sie im verbrannten Moria alles so hergerichtet haben – mit sicheren Zäune. Dann sollen alle wieder dorthin zurückgebracht werden.

Das ist sicher mit der EU abgesprochen, und das ist die menschenverachtende Flüchtlingspolitik der EU.

Die griechische Regierung hat für die Dauer von vier Monaten den Ausnahmezustand über die Insel verhängt. Ich weiß nicht, was das im Konkreten alles bedeuten wird.

Dazu, was wir alles konkret brauchen, melde ich mich noch einmal.

Mit solidarischen Grüßen
Michalis Aivaliotis

09.09.2020