Wir liefen den „Weg der Erinnerung“ in Leonberg – wie 1944/45 die abgemagerten, kahlgeschorenen Männer in ihren gestreiften, dünnen Anzügen, oft nur in Holzschuhen oder auch barfuß.
Wir wollten wissen, was damals geschah, warum es geschah, damit es nie wieder geschieht.
Täglich gab es an ihrer Arbeitsstätte, den Messerschmitt-Werken im Autobahntunnel, zwei Schichtwechsel, um 6 Uhr morgens und 18 Uhr abends. Dann bewegte sich ein Zug von ihnen in Richtung Tunnel, der andere wenig später ins KZ.
Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal und unmenschlich in jeglicher Beziehung.
Das Essen bestand hauptsächlich aus wenig Brot und einer wäßrigen Gemüsesuppe, so dass sie ca. 3 Monate – nur zum Zwecke der Arbeit – gerade so durchhalten konnten. Danach waren sie erschöpft und verbraucht und man hat sie in die Sterbelager nach Vaihingen/Enz, Dachau und Bergen-Belsen transportiert. Dann wurde Nachschub angefordert aus anderen KZs.
Absolute Macht ist gestaffelte Macht
Im KZ-Lager gab es eine Eigenverwaltung. Ihr Zweck war, Hierarchie, Konkurrenz und Arbeitsteilung auf die Lagerinsassen zu übertragen gemäß dem Prinzip „absolute Macht ist gestaffelte Macht.“
Auch bei der Arbeit im Tunnel waren die Gefangenen hemmungsloser Anwendung von Gewalt ausgesetzt, die von der SS auf die Funktionshäftlinge übertragen wurde.
Es wurde uns deutlich, es handelte sich um ein sehr durchdachtes barbarisches System – ein wesentliches Merkmal des deutschen Faschismus.
Die massivste Protestform gegen die unmenschliche Behandlung der Häftlinge war in Leonberg sicher die Hilfe verschiedenster Art, die Bürgerinnen und Bürger unter großer Gefahr leisteten. Das ging von heimlichen Lebensmittelzuwendungen über Brief- und Paketschmuggel bis hin zum Verstecken von Häftlingen. Solche Hilfeleistungen waren selbstverständlich gefährlich. Viele Helfende wurden von den Wachleuten verwarnt und mit Strafe bedroht.
Solche „öffentlich“ geführten KZs und die öffentlich vorgeführten elenden Häftlingsgestalten waren nicht zuletzt ja auch als Drohung und Einschüchterung für Regimegegner gedacht.
Am Ende waren wir – nicht zuletzt durch die gute Führung – sehr berührt und beeindruckt – unfassbar, dass dies alles hier inmitten von Leonberg vor nicht allzu langer Zeit geschehen ist und sind mehr denn je motiviert, uns gegen Faschismus und Rassismus einzusetzen.