Die Bochumer Gruppe des Frauenverbands Courage berichtet:
Im Juli besuchten wir die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und die sehr gut konzipierte und bewegende Hauptausstellung. Eingebettet in eine wunderbare Seenlandschaft lag hier das größte Frauenkonzentrationslager des Nazi-Regimes in der Nähe von Fürstenberg (Brandenburg).
Mehr als 120.000 Frauen und Kinder aus über 30 Ländern waren im 1939 von der SS errichteten Konzentrationslager Ravensbrück registriert worden, das nach Kriegsbeginn ständig erweitert wurde. Mit der Kriegswirtschaft und faschistischen Unterdrückung Europas und dem brutalen Überfall auf die Sowjetunion wurden Millionen Frauen und Männer zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt und in Konzentrationslagern wie im KZ Ravensbrück zur Zwangsarbeit gezwungen. Sowohl in den SS eigenen Betrieben im Lager Ravensbrück, in den naheliegenden 20 Werkshallen des Konzerns Siemens & Halske als auch in den 44 Außenlagern wurden sie ausgebeutet.
Ab 1941 wurde ein Lager mit 20.000 Männern angegliedert sowie das so genannte „Jugendschutzlager Uckermark“ für 1200 junge Frauen und Mädchen.
Über 28.000 Häftlinge des KZ Ravensbrück starben an den katastrophalen, unmenschlichen Lebensbedingungen, an Hunger, Krankheiten, Seuchen, medizinischen Versuchen oder sie wurden gezielt ermordet, in Massentötungen erschossen und ab 1945 auch vergast. Kurz vor der Befreiung durch die Rote Armee 1945 waren noch 20.000 Häftlinge auf die Todesmärsche getrieben worden.
Wer waren diese Frauen und weshalb wurden sie verhaftet?
Das wird sehr anschaulich gezeigt.
In den völlig überbelegten Baracken drängten sich meist ohne Gerichtsurteil inhaftierte Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten aus über 30 Ländern.
Jüdinnen sowie Sinti und Roma wurden aus rassistischen Gründen verfolgt, Zeuginnen Jehovas wegen ihrer Ablehnung des Nationalsozialismus. Gesellschaftliche „Außenseiter“ wie Obdachlose, Kleinkriminelle, Prostituierte wurden als „asozial“ oder „kriminell“ abgestempelt und inhaftiert.
Mehr als 70.000 Frauen trugen den roten Winkel der politischen Gefangenen wie die über 7.000 Frauen aus Deutschland und zehntausende Frauen aus ganz Europa (Polen, Niederlande, Jugoslawien, Frankreich, Italien, Ungarn, Sowjetunion, Belgien…).
Viele dieser Frauen waren aktive Gegnerinnen des NS-Regimes oder hatten wie Sozialistinnen und Kommunistinnen organisierten Widerstand geleistet gegen die Terrorherrschaft des Faschismus, gegen Krieg und Unterdrückung, gegen die faschistische Besatzung oder Zwangsarbeit.
In 159 Kurzbiografien wird der eigenständige Widerstand der Frauen verdeutlicht:
Trotz drohender Haft, Folter oder KZ, trotz Sorge um ihre Familien wurden Frauen besonders im Laufe des Krieges zunehmend aktiv und zeigten großen Mut, Mitmenschlichkeit, Solidarität und Verantwortung gegen die Nazidiktatur aus politischen, persönlichen und moralisch-ethischen Motiven:
Sie verteilten antifaschistische Flugblätter, Handzettel und Zeitungen, waren aktiv als Fluchthelferinnen, im Kurierdienst, beim Waffenschmuggel… Sie versteckten und versorgten Illegale und Flüchtlinge, halfen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, nahmen an illegalen Treffen teil, leisteten als Partisaninnen entschieden Widerstand, kämpften als Frauen in Widerstandsgruppen, in der Roten Armee oder sabotierten selbst noch im KZ oder in den Zwangsarbeiterlagern die Rüstungsproduktion.
Hier drei Beispiele:
Constanza Martinez Prieto (1917 – 1997):
Die linke Aktivistin floh 1939 vor den Truppen des Franco-Regimes nach Nordfrankreich, wo sie Kinder spanischer Flüchtlinge unterrichtete und sich dem französischen Widerstand anschloss. 1944 wurde sie in das KZ Ravensbrück verschleppt, dann nach Leipzig in ein Außenlager. Nach ihrer Befreiung kämpfte sie im Untergrund von Paris aus gegen das Franco-Regime.
Käthe Niederkircher (1909-1944):
Die Berliner Kommunistin war 1933 mit ihrer Familie in die Sowjetunion emigriert, wo sie studierte, als Schneiderin arbeitete und im Büro der Kommunistischen Internationale. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion meldete sie sich freiwillig zur Widerstandsarbeit im Untergrund in Deutschland. Nach ihrem Fallschirmabsprung 1943 über Polen und dem folgenden Grenzübertritt wurde sie verhaftet, gefoltert und 1944 zur Hinrichtung nach Ravensbrück überstellt, wo sie erschossen wurde.
Rosa Thälmann (1890-1962):
Die Plätterin in einen Hamburger Großwäscherei heiratete 1915 Ernst Thälmann, der als Vorsitzender der KPD 1933 verhaftet wurde. Sie kämpfte jahrelang für seine Freilassung und wurde wenige Wochen vor seiner Ermordung im KZ Buchenwald mit ihrer Tochter Irma 1944 ins KZ Ravensbrück eingeliefert. Dort schützten Mithäftlinge die Kommunistin, brachten sie unter falschem Namen ins Krankenrevier und organisierten bei der Evakuierung des Lagers ihre Flucht.
Am Beispiel von Rosa Thälmann sieht man beeindruckend die Hilfe, Solidarität und die vielfältigen Formen des Widerstandes gegen die SS. Es wurden Netzwerke gebildet, politische Schulungen durchgeführt, Sabotagen in den Rüstungsbetrieben unternommen, eine Lagerkultur entstand usw. Frauen übernahmen wichtige Posten als Funktionshäftlinge, um so gezielter Mithäftlingen helfen und sie retten zu können.
Viele Frauen waren und sind nach ihrer Befreiung aus Ravensbrück weiter aktiv wie zum Beispiel Esther Bejarano als Sängerin in einer antifaschistischen Band und als Vorsitzende des deutsche Ausschwitz-Komitees und Ehrenvorsitzende der VVN.
All den mutigen Frauen gilt unser Respekt. Wir müssen sie vor dem Vergessen bewahren und von ihrem selbstlosen Einsatz für heute lernen. Niemals wieder dürfen faschistische Kräfte diesen Einfluss und Macht erhalten. Bauen wir einen gemeinsamen, solidarischen Zusammenschluss, eine breite antifaschistische, überparteiliche Einheit gegen die faschistische Gefahr auf.
Ein Besuch der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ist sehr zu empfehlen!
Foto: Courage Bochum