Belarus: Frauen in der Avantgarde der friedlichen Revolution

Seit den gefälschten Präsidentschaftswahlen in Belarus am 9. August 2020 ist einiges passiert. In dieser Zeit erlebte das Land eine beispiellose Gewalt der Sicherheitskräfte. Hunderttausende friedliche Demonstrant*innen forderten das Ende der Gewalt auf den Straßen der Hauptstadt Minsk. Eine Welle der Proteste erreichte große und kleine belarusische Städte, gar Dörfer. Darauf folgte eine Migrationswelle in die Nachbarländer, einige Flüchtlinge schafften es bis nach Deutschland.

Demonstrantinnen werden als "Schweine!, "Schafe", "Ratten" und "Prostituierte" beleidigt

Veranika Zapkala, Vertreterin von Belarus auf der Zoom-Europakonferenz der Weltfrauen im März 2021, berichtet, dass die frauenverachtende Rhetorik der belarusischen Spitzenpolitiker im Sommer 2020 ihren Höhepunkt erreicht hat. Viele Jahre lang habe Lukaschenka belarusische Frauen beleidigt, aber im vergangenen Sommer kamen solch abscheulichen Begriffe wie „Schweine“, „Schafe“, „Ratten“ und „Prostituierte“ in Bezug auf Demonstrantinnen dazu. Lukaschenka erklärte, die belarusische Verfassung sei nicht für eine Präsidentin geschrieben worden, eine Frau würde den enormen Druck gar nicht aushalten können.

Drei Frauen haben die belarusische Revolution besonders stark geprägt

Drei Frauen haben die belarusische Revolution besonders stark geprägt: die „drei Grazien“ Swjatlana Tsichanouskaja, Maria Kalesnikawa und Veranika Zapkala haben das Volk aus dem lethargischen Schlaf geweckt und alle Schichten der Gesellschaft für den Kampf gegen den seit 26 Jahren mit eiserner Hand regierenden Diktator Lukaschenka mobilisiert.

Da er nie an Frauen geglaubt und die Belarusinnen insgesamt unterschätzt hatte, ließ er Swjatlana, die einzige weibliche Alternativkandidatin, bei den Präsidentschaftswahlen antreten.

Nachdem Swjatlana und Veranika gezwungen wurden, das Land zu verlassen und Maria im KGB-Gefängnis landete, gingen Hunderte in Weiß gekleidete Frauen mit Blumen auf die Straßen von Minsk. Die Bilder dieser Frauen vor schwer bewaffneten schwarz vermummten Männern gingen um die Welt. Und die ganze Welt sah zu, wie jeden Tag Menschen in Belarus aufgrund ihrer politischen Haltung verhaftet, misshandelt und aus dem Land gedrängt wurden.

Wir nennen es den Beginn der Revolution in Belarus, einer Revolution mit dem weiblichen Gesicht.

Trotz Verfolgung, Wahlmanipulation, trotz Folter und unerträglicher und frauenverachtender Behandlung in Gefängnissen oder gar Vertreibung aus dem Land geben die belarusischen Frauen noch lange nicht auf. Ganz im Gegenteil: bei allen Protestaktionen stehen sie in der ersten Reihe.

Irina, eine Aktivistin aus München, berichtet, dass die Proteste im Land aufgrund beispielloser Repressalien äußerst gefährlich und somit auch rar geworden seien und dass die Diaspora alles Mögliche tue, um die Menschen in Belarus zu unterstützen:

Wir haben den Verein RAZAM e. V. ins Leben gerufen, informieren über die Ereignisse im Land und zeigen Solidarität.

Ein aktives Leben der Diaspora entstand im vergangenen Frühling. Der Wahlkampf in Belarus fiel mit dem Beginn der Pandemie zusammen. Mit Corona erhöhte sich in Belarus und auch in anderen Ländern die Mobilisierung von Frauen. Lukaschenko leugnete Corona, es gab in Belarus keine Quarantäne, keinen Lockdown. Ärzt*innen und medizinisches Personal mussten selbst Schutzkleidung kaufen oder sie wurden von freiwilligen Helfern versorgt. So entstand die erste große Bürgerinitiative ByCovid, die später Tausenden von Menschen, die seelischen, körperlichen, materiellen Schaden durch das Regime erlitten hatten, unter die Arme greifen konnte. Mittlerweile hilft die Diaspora Flüchtlingen aus Belarus oder sie ruft zum Protest gegen deutsche Versicherungskonzerne und Banken, die mit der belarusischen Regierung weiterhin Geschäfte machen

Mit diesem Regime darf man nicht kooperieren“, so Irina. Man soll sich im Klaren sein, dass mit den Gewinnen aus solchen Anleihen und Deals die Folterung Oppositioneller finanziert wird.

Jedes Mal, wenn man denkt, schlimmer geht es nicht, erfindet das Regime noch absurdere Strafen und Maßnahmen. Die Fantasie der Frauenproteste geht jedoch auch nicht aus. Wegen zu erwartender Repressalien gibt es zur Zeit nur kurze Zusammenkünfte der Frauen in weißer Kleidung, mit verhüllten Gesichtern. Die Aktivistinnen haken sich ineinander ein, sie halten keine Pflastersteine, keine Waffen oder Handgranaten in den Händen, höchstens Blumen, die sie zum Gedenken derjenigen niederlegen, die ermordet worden sind. Und trotzdem sind sie tausendmal stärker, als das Regime, das ihnen mit all seiner Macht gegenüber steht.

Ohne Frauen gibt es keine Lösung der brennenden Fragen unserer Zeit

Wir Frauen solidarisieren uns mit den mutigen Belarusinnen, denn sie sind gerade in der Avantgarde der Demokratiebewegung nicht nur in Belarus, sondern in ganz Europa. Auch in Belarus gilt: Ohne Frauen gibt es keine Lösung der brennenden Fragen unserer Zeit.

 

Belarusische Frauen und Courage München