„Nein heißt nein“ – erkämpfter Fortschritt – aber es geht mehr!

Nein heißt Nein

 

– dieses Prinzip wurde am 7. Juli 2016 ins Sexualstrafrecht aufgenommen. Das begrüßen wir als hart erkämpften Fortschritt, der nur aufgrund jahrelanger, hartnäckiger Proteste aus der Frauenbewegung zustande kam. Bisherige mussten Frauen bei einer Anzeige wegen sexuellen Angriffen nachweisen, dass körperliche Gewalt angewendet wurde und sie  sich aktiv zur Wehr gesetzt hätten. Nur ein Bruchteil der Prozesse endete mit einer Verurteilung des Täters. Kein Wunder, dass viele Frauen und Mädchen, die Opfer von sexueller Gewalt  geworden sind, diese gar nicht erst anzeigen.

Der „erneuerte“ Paragraf 177 stellt nun alle sexuellen Handlungen unter Strafe, die „gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person“ vorgenommen werden. Auch wer bestimmte Situationen ausnutzt, „in denen die Willensbildung beeinträchtigt sein kann“ wird bestraft. Längst überfällig: Nach dem neuen Paragraf 184 ist auch sexuelle Belästigung eine Straftat.

JEDER Täter gehört bestraft

Jeder Täter gehört bestraft – egal ob er einen deutschen Pass hat oder nicht. Dass mit der Verschärfung des Sexualstrafrechts das Ausländerrecht durch die Hintertür verschärft wurde, lehnen wir entschieden ab. Es wird nahe gelegt, dass sexuelle Gewalt hauptsächlich von Ausländern, Flüchtlingen und Asylbewerbern ausgeht.

Die meisten Täter kommen aber aus dem nahen Umfeld der Betroffenen. Und sexuelle Belästigung und Gewalt gibt es nicht erst seit der Silvesternacht 2016. Volksfeste jeder Art, ob Wies`n oder Wasen, sind seit jeher Ort sexueller Belästigung Bei den Protesten gegen die massenhaften Übergriffe am Kölner Hauptbahnhof bezogen wir klar gegen Sexismus und Rassismus Stellung.

Unser Grundsatz heißt: Gemeinsam gegen jede Form von Sexismus und Gewalt an Frauen und gegen die Verschärfung der Asylgesetzgebung! Dafür müssen wir Frauen selbst aktiv werden und uns organisieren! Zusammen mit den Asylbewerbern, die in ihrer großen Mehrheit sexuelle Gewalt ablehnen. Flüchtlingsfrauen sind oft Opfer von sexuellen Übergriffen in den Aufnahmeeinrichtungen, gemeinsam müssen wir für ihren Schutz kämpfen.

Wir fragen uns allerdings, wie ernst es die Regierungsparteien mit der Bekämpfung von sexueller Gewalt, Sexismus und Frauenverachtung meinen, wenn sie grundsätzlich an der Legalisierung des „Prostitutionsgewerbes“ festhalten.

Das „Prostitutionsgesetz“ schützt die Profiteure

Denn das ist Kern des ebenfalls Anfang Juni im Bundestag verabschiedeten „Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ – kurz „Prostitutionsschutzgesetz“. Besonders widerliche Formen der Prostitution wie Flatrate-Bordelle werden über den Weg der Erlaubnispflicht eingeschränkt, ebenso wie überhöhte Mieten in Bordellen.

 

 

Aber es wird nicht in Frage gestellt, dass Frauen und ihr Körper gegen Geld benutzt werden dürfen und die Sexindustrie daraus Riesenprofite schlägt. Die eingeführte, aber nicht ortsbezogene Anmeldepflicht, schützt Frauen nicht davor, von Menschenhändlern, Bordellbesitzern und Zuhältern von Ort zu Ort verschoben zu werden. Wen schützt also dieses Gesetz, wenn nicht die Profiteure? In der Frauenbewegung wird der richtige Umgang mit der Prostitution kontrovers und heiß diskutiert. Gar nicht hinnehmbar ist, dass Organisationen der Prostitutionslobby wie Doña Carmen versuchen, kritische Stimmen einzuschüchtern und zu diffamieren wie am Internationalen Frauentag 2016 in Frankfurt.

Dort verhinderten junge Frauen im Namen der Selbstbestimmung der Prostituierten gemeinsam mit Doña Carmen die Verlesung des Briefs von Huschke Mau, einer Aussteigerin aus der Prostitution, durch eine Mitfrau der Feministischen Partei DIE FRAUEN. In aggressiver Weise blockierten sie die von einem Aktionsbündnis organisierte und von Courage angemeldete Demonstration.
Gleichzeitig spielt sich Doña Carmen als Hüterin der demokratischen Rechte der Frauen in der Prostitution auf, kritisiert  die „repressive Regulierung der Prostitution“ und propagiert die vollständige Anerkennung der „Prostitution als Menschenrecht“.
Wir lassen  uns nicht verbieten Prostitution als das zu bezeichnen, was sie in Wirklichkeit ist: eine menschenverachtende Form der besonderen Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen. Darüber sind wir zu sachlicher Auseinandersetzungen in der Lage und bereit.

Wenn der Kapitalismus alles zur Ware macht, auch Frauen und ihren Körper, dann heißt das noch lange nicht, dass wir das als selbstverständlich anerkennen Es ist vielmehr ein Grund für grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen zu kämpfen. Für gesellschaftliche Verhältnisse, in denen es ein „Menschenrecht“, insbesondere ein Frauenrecht ist, sich nicht aus Armut, wirtschaftlichem oder sonstigem Zwang prostituieren zu müssen und gleichberechtigte Beziehungen leben zu können, zu denen auch eine erfüllte Sexualität gehört.

In unserem Programm heißt es:
Die besondere Unterdrückung der Frau ist nicht naturgegeben, sondern hat gesellschaftliche Ursachen, die im Laufe der Geschichte entstanden sind. Deshalb ist die Befreiung der Frau untrennbar mit einer befreiten Gesellschaft verbunden. Sie kann nur im gemeinsamen Kampf aller Unterdrückten, der Frauen, Männer und Kinder erreicht werden. Doch damit ist die Befreiung der Frau noch lange nicht erreicht. Erst in der Überwindung der patriarchalen Denk- und Verhaltensmuster liegt der Weg zur wirklichen Emanzipation und damit die Chance einer großen schöpferischen Kraft für die Gesellschaft. Deshalb müssen wir Frauen unsere Interessen selbst vertreten.“

Die  nächste Courage-Zeitung hat den Schwerpunkt: Nein zu Sexismus und Prostitution Berichtet über eure Arbeit, eure Auseinandersetzungen, schreibt an die Redaktion (Redaktionsschluss 5.9.2016)

Bundesvorstand Frauenverband Courage e.V.

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