Als Teil des bundesweiten Bündnisses zum Internationalen SAFE ABORTION DAY 2020 ruft der Frauenverband Courage zu den Aktionen rund um den 28. September auf.
Weltweit stehen Frauen heute im Kampf für ihr Selbstbestimmungsrecht und einen legalen, sicheren Schwangerschaftsabbruch – gegen Kriminalisierung, Verbote und Angriffe auf erkämpfte Rechte durch rechtsgerichtete Regierungen, Parteien und Teile der Gesellschaft. In Europa besonders mutig in Ländern wie z.B. Polen, Österreich oder Ungarn, wo erkämpfte Rechte wieder kassiert werden sollen. Lateinamerikanische Frauen stehen seit Jahrzehnten im Kampf gegen gesetzliche Verbote – sie sind es auch, die erstmals 1990 die „Campaña 28 Septiembre“ als Aktionstag zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbruch in Lateinamerika und der Karibik organisierten.
Auch in Deutschland haben wir allen Grund auf die Straße gehen. Der §218 ist seit 1871, also seit fast 150 Jahren, Bestandteil des Strafgesetzbuchs. Genauso lange gibt es den Widerstand dagegen. Trotz aller erkämpften Fortschritte wird auch heute noch der Abbruch einer Schwangerschaft per Gesetz zum rechtswidrigen „Verbrechen“ erklärt und bleibt nur unter bestimmten Bedingungen straffrei.
Grundlage dafür ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1993. Es kippte eine erkämpfte fortschrittliche Fristenregelung und erlegte den Frauen eine „grundsätzliche Pflicht zum Austragen des Kindes“ auf, die der Staat durchsetzen müsse.
Der Frauenverband Courage erklärte damals:
„Das Urteil (Gesetz) ist ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, die in den wichtigen Fragen ihres Lebens selbst entscheiden wollen. Wir sind nicht die willenlosen ‚Gebärmütter‘, die die Richter aus uns machen wollen. Dem befruchteten Ei gestehen sie ein eigenes Lebensrecht zu, das gegen die schwangere Frau verteidigt werden muss. Ihr wird eine generelle Gebärpflicht auferlegt (bis auf die Ausnahmefälle: Bedrohung des Lebens der Frau, Behinderung des Kindes, Vergewaltigung). (…) Uns soll das schlechte Gewissen einer unrechtmäßigen Handlung gegeben werden. (…) Mehr noch, entscheiden wir uns für den Abbruch werden wir als Rechtsbrecherinnen abgestempelt, aber (vorläufig) nicht strafrechtlich verfolgt.“
Für uns Frauen des Frauenverbands Courage ist der Kampf gegen den § 218 und seine Kriminalisierung des Rechts der Frauen auf Selbstbestimmung seit unserer Gründung vor 30 Jahren Verpflichtung und Auftrag.
In den Fokus gerückt ist seit einigen Jahren der von den Hitler-Faschisten installierte § 219a, nach dem es ÄrztInnen bei Strafe untersagt ist, z.B. im Internet über die von ihnen angewendeten Methoden des Schwangerschaftsabbruchs zu informieren. Mutige Ärztinnen lassen sich nicht einschüchtern und haben juristische Erfolge erkämpft, MedizinstudentInnen fordern, dass die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen Teil ihrer medizinischen Ausbildung wird.
Immer weniger Praxen und Kliniken in Deutschland führen Schwangerschaftsabbrüche durch – auch weil viele sich nicht mehr trauen.
Als ob die Hürden für die betroffenen Frauen u.a. durch die vorgeschriebene Zwangsberatung und „Bedenkzeit“ nicht schon hoch genug wären!
Die Ärztin Kristina Hänel konnte jüngst in einem Prozess gegen die Verleumdungen eines Abtreibungsgegners erstreiten, dass der unsägliche Vergleich von Abtreibungen mit dem Holocaust, dem Massenmord der Nazis an der jüdischen Bevölkerung, nicht zulässig ist. Aber zugleich urteilte die Richterin(!), dass Hetze wie „an den Händen von Frau Hänel klebt Blut“ von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.
- Das gibt militanten Abtreibungsgegnern, aber auch faschistischen und faschistoiden Organisationen wie der AfD Auftrieb und Schützenhilfe bei ihren als „Lebensschutz“ getarnten Angriffen auf Frauen und ihre Rechte.
- Das ist Teil der Rechtsentwicklung in der Regierung, Parteien und Teilen der Gesellschaft und nicht hinnehmbar.
Wer schützt denn hier das Leben?
Zum ersten hat im alltäglichen Frauenleben auf der ganzen Welt der Erhalt des menschlichen Lebens einen Riesenstellenwert.
Zum zweiten verkörpert sich der Schutz des Lebens für uns vor allem im couragierten Einsatz für eine lebenswerte Zukunft, für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und für gesellschaftliche Verhältnisse, in denen sich Frauen ohne Bevormundung und Druck für oder gegen Kinder entscheiden können!
Unsere Forderungen bleiben:
- Ersatzlose Streichung der §en 218/219a – keine Kriminalisierung von Frauen, Ärztinnen und Ärzten!
- Keine Zwangsberatung, aber Rechtsanspruch auf Hilfe und Beratung!
- Kostenübernahme für Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche durch die Krankenkassen!
- Verstärkte Forschung für bessere Verhütungsmittel für Männer und Frauen!
- Umfassende Aufklärung und Beratung für Jugendliche!
Macht Euch dafür stark bei den Aktionen zum Internationalen Tag für legale und sichere Abtreibung!
Gemeinsam, couragiert und kämpferisch aktiv:
Für Schwangerschaftsabbruch als Grundversorgung, egal wer, egal wo, egal warum und gegen die Rechtsentwicklung, gegen faschistisch beeinflusste Organisationen und Parteien!
Fotos: Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung oder FV Courage