Der Satz fällt ruhig, fast beiläufig, doch jede Silbe trägt die Wucht des Erlebten. Die Sprecherin gehört zu einer Gruppe von vier Frauen aus Essen, die Ende November am internationalen, theoretischen Weltfrauenseminar in Kathmandu (Nepal) teilnahmen. Drei von ihnen waren am vergangenen Sonntag beim letzten „Dinner for You“ im Mädchen- und Frauenzentrum Courage Essen anwesend und berichteten von den Erfahrungen, die sie dort gemacht haben.
Ein Abend voller Eindrücke
Seit fast zwei Jahren lädt Courage einmal im Monat zu einem besonderen Abend ein: ein gemeinsames Essen mit einem Thema, Austausch und politischem Input, möglich durch zahlreiche Spenden und meist als Drei-Gänge-Menü serviert. Dieses Mal ging es bei der Diskussion um Frauen, die sich weltweit gegen Unterdrückung stellen.
„Sie waren klar, kämpferisch, ohne auch nur einen Hauch von Opferhaltung.“, beschreibt eine Teilnehmerin des Seminars in Nepal. „Kein Mitleid. Keine Bitte um Hilfe. Nur Entschlossenheit.“
Die Erfahrung zeigt: Diese Frauen fordern nicht Almosen. Sie fordern Veränderung.
Das Seminar in einem Land der Widersprüche
Mehr als 320 Frauen aus vier Kontinenten kamen vom 27. bis 29. November in Kathmandu zusammen. Sie diskutierten über Herrschaftssysteme, kapitalistische Ausbeutung, patriarchale Gewalt, politische Bildung, Umweltzerstörung und die Situation alleinerziehender und verwitweter Frauen weltweit.
Dabei wurde schnell klar: Die Belastungen ähneln sich – egal auf welchem Kontinent.
Nepal selbst ist ein Land zwischen Hoffnung und Krise. Nach dem achtjährigen Bürgerkrieg (1996–2006) wurde die Monarchie abgeschafft. Die maoistische „Volksarmee“ setzte damals politische Veränderungen durch. Doch bis heute prägen starke Korruption, soziale Ungleichheit und Armut das Land. Viele sehen in kapitalistischen Strukturen eine Ursache fortdauernder Ausbeutung. Besonders hart trifft das die Frauen – gebunden durch religiöse Traditionen, patriarchale Regeln und teilweise grausame Praktiken.
Bewegende Stimmen aus Afghanistan
„Wir sollten sie unterstützen.“ Dieser Satz fällt oft bei solchen Treffen — doch dieses Mal bekam er eine radikal andere Bedeutung. Eine Aktivistin aus Afghanistan, Leiterin einer geheimen Mädchenschule und langjährige Partnerin von Courage Essen, durfte nicht anreisen. Die Taliban verweigerten ihr die Ausreise, weil sie keine männliche Begleitung hatte.Stattdessen erreichte die Seminarteilnehmerinnen eine Audiobotschaft: voller Schmerz, aber nicht voller Opferrolle.
Darin sagte sie:
„Wir brauchen keine Rettung von außen – finanzielle Unterstützung wie für unsere Mädchenschulen spricht nicht „für uns“, sondern hilft selbstbestimmt zu arbeiten…Jede in jedem Land gegen den Imperialismus -das ist das Wichtigste für Alle!“
Sätze, die bei allen Anwesenden nachhallten.
Weltweite Gemeinschaft – ohne Grenzen
Trotz politischer Spannungen, Unruhen in Kathmandu im Vorfeld des Seminars und extremen Lebensrealitäten vieler Teilnehmerinnen war die Atmosphäre von etwas geprägt, das stärker war als Angst: internationaler Solidarität.
„Wir haben gesehen, dass Befreiung keine Grenzen kennt – weder sprachlich noch kulturell.“
So beschrieben es die Essener Courage-Frauen beim Dinner. Die Vielfalt wurde nicht als Hindernis erlebt, sondern als gemeinsamer Motor.
Wie es weitergeht
Die Erfahrungen aus Nepal führten beim Dinner zu einer lebhaften, kritischen und solidarischen Diskussion. Für Anfang des neuen Jahres planen wir eine ausführliche Analyse der drei theoretischen Themenblöcke des Seminars.
Das Team von Courage Essen lädt auch weiterhin dazu ein, die monatlichen Dinner-Abende zu besuchen, sich auszutauschen und gemeinsam einzustehen:
◊ Für Frauen- und Kinderrechte.
◊ Für Frieden.
◊ Für soziale Grundrechte.
◊ Für Befreiung.
Viktorija Mousa, Courage Essen
