Im Gedenken an Anne Frank: AfD und Konsorten entschieden Paroli bieten!

Interview mit Eva Wanneck

Die Umfragewerte der AfD und ihr Einfluss sinken zurzeit. Mit den „Hygiene-Demonstrationen“ versuchen sowohl AfD als auch andere rechte und faschistische Organisationen ihren Einfluss wieder zu gewinnen. Morde wie in Hanau und an dem CDU-Politiker Walter Lübcke zeigen, wozu solche Faschisten in der Lage sind.

Mehr denn je sind Wachsamkeit, antifaschistisches Engagement und die Stärkung der Fähigkeit zu selbstständigem Denken und Handeln das Gebot der Stunde.

Diesem Anspruch und Erziehungsauftrag fühlt sich Eva Wanneck, Courage-Frau und Lehrerin an der Anne-Frank-Realschule in Gladbeck, verpflichtet. Dafür wird sie fast 3 Jahren lang massiv von der AfD diffamiert und aufs Übelste angegriffen. Auch gegen solche Angriffe einer frauenfeindlichen Wegbereiterin des Faschismus, wurde auf dem Frauenpolitischen Ratschlag 2019 in Erfurt die Erklärung „Unser kleinster gemeinsamer Nenner“ ins Leben gerufen, um der ernstzunehmenden faschistischen Gefahr etwas entgegen zu setzen. „Keine von uns darf alleine bleiben“ – das nehmen wir ernst.

Wir freuen uns, dass Eva sich zu einem Interview bereit erklärt hat:

Courage: Liebe Eva, 2017 mit einer Podiumsdiskussion zu den Bundestagswahlen begannen ja die Angriffe der AfD gegen Dich.  Was war das für eine Podiumsdiskussion, von wem wurde sie organisiert? 

Eva Wanneck: Zuerst will ich sagen, dass ich über 45 Jahre antifaschistisch aktiv bin – in meiner Jugendzeit besonders gegen die Hetzparolen der NPD.

Anlässlich der Bundestagswahlen entschied sich mein Sozialwissenschaftskurs eine Podiumsdiskussion mit allen demokratischen Direktkandidaten in Gladbeck zu veranstalten. Von der Moderation über die Pressearbeit bis zur Raumvorbereitung wurde alles gelernt und erprobt. 7 DirektkandidatInnen von CDU, FDP, SPD, GRÜNEN, Linke, DKP und Internationalistische Liste/MLPD stellten sich schließlich den Fragen von über 90 TeilnehmerInnen.

Courage: Wie kamt ihr zu der Entscheidung, den Direktkandidaten der AfD nicht einzuladen? Was hat das mit dem Namen eurer Schule zu tun?

Eva Wanneck: Die Nichteinladung der AfD war durchaus umstritten. Einige meinten, es sei demokratisch, auch den AfD-Direktkandidaten einzuladen. Wir befassten uns inhaltlich mit der AfD und waren schließlich mehrheitlich einig, dass in unsere Schule kein Vertreter einer rassistischen, ultrarechten Partei, in der offene Faschisten wie Björn Höcke ihr Unwesen treiben, eingeladen wird. In der örtlichen Presse wurde 2017 mein klar antifaschistisches Statement gegen die AfD durchaus noch positiv gewürdigt. Die Schule, an der ich unterrichte, ist nach Anne Frank benannt und hat damit einen klaren antifaschistischen Anspruch – sie gehört zu der Bewegung „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Damals hetzte AfD-Stegmann – das war der Direktkandidat – auf seiner Homepage gegen mich als „die der linksextremen MLPD nahestehende Lehrerin Eva Wanneck an der Anne-Frank-Realschule in Gladbeck“.

Courage: Der nächste Anlass für massive Angriffe der AfD bis hin zu offener Bedrohung folgte auf Aktivitäten Eurer Schule im Rahmen der Fridays for Future Bewegung. Was war da passiert?

Eva Wanneck: 2019 initiierten SchülerInnen meiner Schule zu den internationalen Höhepunkten der Fridays for Future-Bewegung insgesamt 4 Schülerdemonstrationen in Gladbeck – mit wachsender Beteiligung anderer Schulen und zum Höhepunkt am 20.9. auch Erwachsenen aus Gewerkschaften, Parteien und Verbänden.

Einfache demokratische Regeln: offenes Mikrophon, Fahnen erlaubt, Vielfalt erwünscht

Entgegen den verbreiteten undemokratischen Gepflogenheiten selbsternannter sog. FFF-Orga-Teams andernorts galten bei uns einfache demokratische Regeln: jeder, der ehrlich für den Umweltschutz ist, durfte gleichberechtigt (3 Minuten) an unserem offenen Mikrophon sprechen, auch Fahnen waren selbstverständlich erlaubt und Vielfalt erwünscht.

Nach anfänglich positiver Berichterstattung in den Medien ging es der örtlichen WAZ und dem Stadtspiegel dann doch entschieden zu weit, dass neben der Mehrzahl der Beiträge von SchülerInnen – die sie geflissentlich überhörten(!) – dort auch ein Vertreter der MLPD zu Wort kam. Soviel Kapitalismuskritik und dann war auch noch die Rede vom Sozialismus – das musste bestraft werden! Fortan wurde ich in denunziatorischer Art und Weise als „MLPD-Aktivistin“ betitelt, die „ihren Genossen“ das Mikrophon überreiche, die Schüler instrumentalisiere usw.

Dass die Moderatoren SchülerInnen waren, ist den Schreiberlingen ebenfalls entgangen – Jugendlichen trauen diese Leute eben einfach gar nichts zu. Ein (!) Beitrag reichte, um die ganze FFF-Demo als von der MLPD missbraucht darzustellen. Eine Aktivistin und Schülerin meinte zu einem dieser Artikel:

Wenn da die CDU gesprochen hätte, hätten die nie so gehetzt.

Die AfD, die wegen der Nichteinladung 2017 wohl dringend nach Rache sann, bezog sich auf einen dieser hetzerischen Stadtspiegel-Artikel und stellte im Landtag NRW eine Kleine Anfrage unter dem Titel: „Indoktrinationsfalle Klassenzimmer – wie die MLPD direkten Zugriff auf unsere Kinder hat!“, in der sie mich persönlich – wieder als „MLPD-Aktivistin“ denunzierte.

Gipfelpunkt und jetzt auch persönliche Bedrohung – selbstverständlich feige anonym – war ein Plakat, das an der Eingangstür meiner Schule hing mit der Aufschrift: „GEFUNDEN! EVA WANNECK LEHRERIN POLIZEISPITZEL ROTGETARNTE FASCHISTIN – MACHT JAGD AUF EURE KINDER!!“

Hätte denn ein MLPD-Mitglied kein Recht auf Schutz, kein Recht auf Anzeige wegen Beleidigung und Bedrohung?

Die umgehende Anzeige bei der Polizei gegen Unbekannt hat bis heute nichts ergeben! Anstatt von der Polizei geschützt zu werden, beauftragte die Staatsanwaltschaft Essen den Staatsschutz mich zu befragen, ob ich denn nun MLPD-Mitglied oder gar Funktionsträgerin sei. Das nenne ich fortgesetzte Bespitzelung. Und ich stelle mir die Frage: Hätte denn ein MLPD-Mitglied kein Recht auf Schutz, kein Recht auf Anzeige wegen Beleidigung und Bedrohung? Ein schöner Rechtsstaat!

Courage: Wie haben Deine Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen, die Schulleitung, die Eltern, die GEW und Deine Vorgesetzten im Regierungspräsidium darauf reagiert?

Eva Wanneck: Die SchülerInnen, mit denen ich diese Hetze diskutieren konnte, waren hellempört. 10-Jährige FFF-Aktivisten sagten:

Uns hat niemand gezwungen! Wir wollen die Umwelt schützen und das ist richtig!

Aber es gab auch Verunsicherung und einige Eltern wollten nicht mehr, dass ihre Kinder weiter bei FFF aktiv sind. Das muss weiter ausgetragen werden.

Zugleich stellte sich der Elternvertreter meiner Klasse voll hinter mich. Im Kollegium gab es einerseits viel Zustimmung zu meinem Engagement, einzelne KollegInnen hatten sich auch bei den FFF-Demos mit ihren SchülerInnen beteiligt. Aber auch da gab und gibt es auch noch jede Menge Diskussionsbedarf – sowohl um die Berechtigung von FFF-Demonstrationen während der Unterrichtszeit als auch um die Teilnahme der MLPD bei diesen Protesten.

Dass die FFF-Bewegung von verschiedenen Kräften aus sog. Nichtregierungsorganisationen, die z.B. Materialien und FFF-Treffen finanzieren, oft auch von jungen Vertretern der GRÜNEN oder der SPD instrumentalisiert und antikommunistisch ausgerichtet wird, ist bisher erst wenigen bekannt.

Rückhalt von KollegInnen und GEW-Ortsverband Gelsenkirchen-Gladbeck

Völlig einig waren meine KollegInnen allerdings als das Hetzplakat gegen mich an der Schule hing – sie führten eine Versammlung durch und solidarisierten sich mit mir. Sehr großen Rückhalt bekam ich auch vom GEW-Ortsverband Gelsenkirchen-Gladbeck gegen die Landtagsanfrage der AfD. Dort hat die Jahresmitgliederversammlung einstimmig eine Solidaritätserklärung beschlossen, in der es u.a. heißt:

Nie wieder darf es dazu kommen, dass Menschen mit anderer Religion, Weltanschauung, politischer Auffassung oder Herkunft zum Schweigen gebracht werden.

Courage: Die Schulbehörde hielt Dir das sogenannte „Neutralitätsgebot“ vor. Wie kam es dazu?

Eva Wanneck: Durch die Anfrage einer WAZ-Redakteurin bei meiner Dienststelle in Münster aufgeschreckt, mussten mein Schulleiter und ich zu Dienstgesprächen

a) zu meinem Engagement in der FFF-Bewegung und

b) zur Nichteinladung der AfD bei der Podiumsdiskussion 2017 (!) antreten.

Kein Neutralitätsgebot gegenüber Faschisten und gegenüber dem Schutz der Natur

Ich machte deutlich, dass es weder ein Neutralitätsgebot gegenüber Faschisten, noch gegenüber dem Schutz der Natur geben kann. In beiden Fällen hat die Schule meiner Ansicht nach einen klaren Bildungsauftrag zu erfüllen. Ich erklärte, dass ich unter keinen Umständen einen AfD-Vertreter in die Schule einladen werde – auch wenn es heute Mainstream ist, die AfD als Partei „wie jede andere“ zu behandeln.

Schule muss Kindern und Jugendlichen helfen, sich zu orientieren und aktiv zu werden - statt Gängelung

Mir wurde der Verfassungsschutzbericht vorgelegt, um die Verfassungsfeindlichkeit der MLPD nachzuweisen. Ich verwies auf die gründliche Diskreditierung dieses Inlandsgeheimdienstes, der doch spätestens seit dem NSU-Prozess wahrlich nicht mehr als Maßstab gelten kann.

Die Verschärfung der Umweltkrise fordert das Engagement gerade der Kinder und Jugendlichen heraus – die Schule muss ihnen helfen, sich zu orientieren und aktiv zu werden anstatt sie mit behördlichen Maßregeln zu gängeln. Wir wurden uns in diesen Punkten nicht einig. Es wurde mir untersagt, in der Schule für FFF zu werben und bei Zuwiderhandeln disziplinarische Maßnahmen angekündigt.

Gegen das Hetzplakat an meiner Schule stellte allerdings auch die Stadt Anzeige gegen Unbekannt – das ging auch den Behörden zu weit.

Courage: Wir möchten unsere Solidarität mit dir und anderen Betroffenen verstärken – auch als Teil unseres eigenen Eintretens als Frauenverband für fortschrittliche, demokratische und konsequent antifaschistische Werte und Politik – ganz im Sinne der Erfurter Erklärung. Was können wir Deiner Meinung nach dafür tun können?

Eva Wanneck: Ich freue mich sehr über die Solidarität durch den Frauenverband Courage – Solidarität ist eben wirklich die „Zärtlichkeit der Völker“ wie Che Guevara sagte.

Ich wünsche mir, dass Courage „meinen Fall“ bekannt macht, um anderen Mut zu machen, sich zu engagieren und sich zu organisieren.

Wir gehen auf entschieden härtere Zeiten zu – inzwischen mehren sich die Ankündigungen von Massenentlassungen, eine Pleitewelle droht als Folge der Wirtschaftskrise und der Corona-Pandemie, die Armut wächst – wir erleben die Aufstände in den USA, in denen sich nicht nur die Wut über den Rassismus entlädt. Die gesellschaftliche Polarisierung wird sich deutlich verschärfen und es ist wichtig, dass Courage der Masse der Mädchen und Frauen darin eine klare Orientierung gibt.

Ich werde die Courage-Solidarität auch in die GEW, in mein Kollegium, zu meinen Eltern tragen. Wir planen mit den Gelsenkirchener Courage-Gruppen eine Veranstaltung – vielleicht im Rahmen der Kommunalwahlen – zu machen, um klar gegen die AfD Paroli zu bieten. Courage sollte sein antifaschistisches Profil weiter schärfen – auch auf kulturellem Gebiet. Meine Idee ist ein Songcontest „Girls/Women gegen rechts“ – das wäre eine wunderschöne Herausforderung für den nächsten Frauenpolitischen Ratschlag oder auch im Rahmen des rebellischen Musikfestivals.

Liebe Eva, wir danken Dir für dieses Interview!

Anne Frank war ein jüdischen Mädchen. 1934 floh sie gemeinsam mit ihren Eltern aus Frankfurt in die Niederlande vor der Verfolgung durch die Nazis. Im geheimen Versteck der Familie schrieb sie ein Tagebuch über ihr Alltagsleben, ihre Ängste und Hoffnungen. Sie und ihre Familie wurden an die Nazis verraten und kamen 1945 im KZ Bergen-Belsen ums Leben. Ihr Tagebuch machte sie weltbekannt.

Der Name Anne-Frank-Schule ruft ja gerade zu einer antifaschistischen Erziehung und Haltung auf. Ist es nicht unvorstellbar, dass ein Vertreter einer Partei wie der AfD an einer Anne Frank Schule sprechen soll, der diese 12 jährige Terrorherrschaft der Nazis, den Mördern eben der Anne Frank, als einen Vogelschiss verharmlost (so Gauland 02.06.2018) und Wegbereiter eben wieder einer faschistischen und rassistischen Terrorherrschaft ist?